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2021:
SCHÄUMENDE
TAGE

Seit dem 1. Januar 2016 führe ich ein öffentliches Tagebuch, das in jedem Jahr unter einem wechselnden Titel erscheint. In diesem Jahr lautet das Motto «Schäumende Tage». Tagebucheinträge aus den vorangegangenen Jahren sind archiviert bei waahr.de

3.12.

Kaum in Heimerdingen angekommen, fing es auch zu schneien an. Während Schnee fällt schlafe ich besonders gut. Und als ich erwachte, war draußen alle Welt von einer dünnen Schicht bedeckt.

Früher hat man das Elternhaus verlassen, sobald es dort etwas zu tun gab. Heute kehrt man eigens dafür dorthin zurück.

Kurz vor Sonnenuntergang, der hier sich beträchtlich später abspielt als im Norden Ostdeutschlands, war der Pavillon aufgerichtet. Im Sommer dann eine Laube.

In meinen Gedanken war ich bei den Vögeln, die jetzt noch früher als sonst, auch um sehr vieles länger deswegen, zur Untätigkeit gezwungen, in der Dunkelheit ausharren mussten.

Dazu noch die Kälte. Schlafend — wo?

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2.12.

Abends den zweiten Teil der Beatles-Dokumentation geschaut, die so gut ist, wie alle sagen. In diesem Teil wurde zu Anfang mehr geredet als im ersten. Am besten gefiel mir die Szene mit dem Mikrofon im Blumenstrauß.

Weil zu dem Gespräch, das 1969 mit einem in der Vase auf dem Mittagstisch verborgenen Mikrofon aufgenommen worden war, in Ermangelung einer adäquaten Geheimkamera keine Bilder existieren, hat Peter Jackson die Tonspur mit einer durch die vom Menschengewicht befreite Kantine schwebenden Kamera hinterlegt. Das fliegende Auge umkreist dabei den nachgestellten Strauß, während die transkribierten Worte der Beatles in pastellfarbenen Zeilen auf dem Fond erscheinen.

Alles Stilmittel, die allein durch den Sound noch mit dem dokumentierten Ereignis verknöpft wurden.

Später dann, McCartney geht am Flügel sitzend durch eine Reihe seiner Kompositionen, tippt sie federnd an: Ist die unendliche Menge von Sounds nicht mit der Mannigfaltigkeit der Zahlen vergleichbar? Und ist dann eine Sequenz dieser Sounds, eine Melodie, nichts anderes als ein Code?

Er könnte so sein, könnte freilich auch noch ganz anders (ausgefallen) sein. Minimal anders ebenfalls. Auf jeden Fall gibt es unendlich viele Möglichkeiten dafür.

Sie sind alle gleich berechtigt zu sehen. Ungehört aber blieben sie verschlüsselt. Wir, die Zuhörer, sind die Schlüssel; wir extrahieren die Nachricht aus dem Code.

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1.12.

Freilich waren es nur wenige Flocken, aber ähnlich wie im Kartenspiel gilt auch beim Vermelden des ersten Schneefalls im Jahre die Regel «Watt fliecht, fliecht.»

Kurz darauf dann allerdings eisiger Regen, gießend, der sich seitdem auch nicht mehr zu erschöpfen vermocht hat. Es handelt sich um jene Form eines kalten Gusses, der die kahlen Stämme der Linden schwarz und zugleich seltsam porös, wie aus den scheuernden Seiten der Schwämme gemacht witkrn lässt — oder werden?

Ich hoffe doch nicht.

Nach zwei Jahren mal wieder am Savignyplatz gewesen und, was soll ich sagen: In der dortigen Filiale der Sparkasse hat sich mittlerweile eine von Zeit für Brot breit gemacht. Was sagt das über meine Zeit, über die Ära?

Mit Russell sprach ich dann über Moos. Es ist mein neues Lieblingsthema, seit meiner groß angelegten Recherche dazu. Die könnte uch nun zwar für abgeschlossen erachten und von dort aus zu sogenannt neuen Ufern aufbrechen, aber «etwas» regt sich entgegrn dieser Annahme meinerseits

Russells Mutter hat offenbar das Rezept für den Moos-Shake ausprobiert. Davon hatte ich bislang bloß gelesen (und meine Zweifel gehegt, ob das funktioniert: Man nimmt zwei Handvoll Moos und puriert die im Mixer zusammen mit einem halben Liter Buttermilch. Damit lackiert man den oder die Gegenständ:e, die man vom Moos überzogen sehen will.)

Russels Mutter hat mit dieser Methode wohl die gesamte Küche verwandelt (indoor) — nach nur wenigen Wochen waren sämtliche Schrankfronten, due Kühlschranktür, sowie der Spülstein flauschig und moosgrün.

Muss man natürlich bisschen feucht halten, sonst gilbt das. Und mögen können.

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