Zum Inhalt springen

2021:
SCHÄUMENDE
TAGE

Seit dem 1. Januar 2016 führe ich ein öffentliches Tagebuch, das in jedem Jahr unter einem wechselnden Titel erscheint. In diesem Jahr lautet das Motto «Schäumende Tage». Tagebucheinträge aus den vorangegangenen Jahren sind archiviert bei waahr.de

22.9.

Zurück im Land der langen Schatten. Zwischenzeitlich war es trüb geworden. Drunten am Bach rauscht der Wind in den Robinien. Ein fader Duft wie von Weichspüler liegt dort in der Luft. Dolden am japanischen Knöterich.

Luogo ameno— heute bleibe ich zuhaus.

Weiterlesen

18.9.

Seit gestern scheint die Sonne über Zürich aus wolkenlosem Himmel. Kondensstreifen zerfließen bald. Beinahe ist es so, als ob ich gar nicht fort gewesen. Doch ist nicht bloß der Sommer zurückgekehrt für ein paar Tage, auch hat sich in der Zwischenzeit das öffentliche Leben gewandelt. Man kommt nun nirgendwo mehr hinein — auch nicht auf eine Terrasse — ohne sein Zertifikat.

Gesprochen wird darüber nicht, es ist jetzt einfach so. Gestern abend und abermals heute früh wurde ich dennoch Zeuge, wie jeweils eine Person versucht hatte, sich mit einem gefälschten Zertifikat einen Zugang zu erschleichen. Darüber wird dann selbstverständlich gesprochen. Ein grober Verstoss, ein Vertrauensbruch. Auch wie man das macht: das Zertifikat zu fälschen. Offenbar mit vergleichbarer Energie wie falsche Franken in Umlauf zu bringen. Es wird erzählt, das Smartphone des Vertrauensbrechers wird zu diesem Zweck gehackt wie früher beim sogenannten Jailbreak. Dabei wird dann in der Fälscherstube das gefälschte Zertifikat in das Betriebssystem praktiziert.

Kurios, dass es Menschen gibt, die diesen doch recht aufwendigen Kontaminationsvorgang für ihre Geräte auf sich nehmen, sich selbst aber damit die Impfung ersparen wollen — Wenn davon die Geräte wüssten!

Nachts mit Yves noch Boxauto gefahren. Zuvor mit Christoph in der Rio-Bar und danach auf dem Fest. Das Heft ist, glaube ich jetzt zu wissen, gut geraten.

Ansonsten ist Art Weekend. Bei Hauser & Wirth an der Bahnhofstrasse 1 gibt es Skulpturen von Hans Arp. Teilweise goldglänzend und über zwei Meter hoch. Meines Wissens nach alle schon verkauft.

Weiterlesen

16.9.

Fans only: Die Redaktion des Duden fordert auf, «Herbstwörter» einzusenden. Mir fällt «spontan» bloß lohfarben ein. Hoffe trotzdem, dass ich gezogen werde.

Der Mensch, indes, ist innen rosig und schäumend gelb; man hat sich da, selbst Kinde noch, ein ziemlich falsches Bild gemacht — das sah, nein: das erkannte ich, gestern, als ich, «im Grunde eigentlich» wie Goethe auf seinem Bild in der von seinem Maler sogenannten Campagna auf der Seite lagernd, die Fahrt in das unheimliche Innenleben meines Leibes mir beschaute (es gab nichts anderes zu sehen).

Nachts, wenn es trotzdem der warmen Temperaturen auch noch regnet: Katzen können (zeitweilig auf den Erdboden abgestellte) Regenschirme als etwas für sie nützliches erkennen (und demnach freilich als temporären Unterschlupf für sich nutzen — sonst wären es ja keine Katzen).

Die Augen eines Fuchses leuchten für unsere Augen ununterscheidbar in der Nacht von denen einer Katze.

In den Augen einer Katze, Roman.

Die Farbtöne der Kollektion von Christophe Lemaire für Uniqlo sind in diesem Herbst erstaunlich enttäuschend. Passt wahrscheinlich in’s größere Bild.

Weiterlesen

13.9.

Die Reise soll Suche bleiben. Wie auf der Pilz-Pirsch ist es das Nebendraußen, das ein wahres Ziel verspricht.

Im Verborgenen — nicht lauernd, mit mir unendlich scheinender Langatmigkeit: verharrend.

In Dresden war es Vermeer, dessen Briefleserin nun einen Amor im breiten Rahmen zu bieten hat, aber man weiß halt nicht recht, ob man es sagen soll: Vorher gefiel es mir schöner???

Die Ausstellung an sich jedenfalls herrlich, seine Palette war Azurit | Lapislazuli | Smalte (aus dem blauen Bereich).

Speaking of that: All überall an den Rändern der Straßen waberte purpurfarben(d)er Nebel, das war blühendes Heidekraut.

Und als ich, am zweiten Morgen, erwacht auf unserer Ghost Ranch durch eine Schonung junger Kiefern strich (und streifte), hatte ich die Lust, jetzt in die Heide auszuschwärmen, riesengroß.

Dort fand ich, im Augenwinkel war sie mir als bohnenhafte Form erschienen, eine Gottesanbeterin (Mantis religiosa). Rings um uns herum war alles lila bis zum Horizont.

Sie war maiengrün und hatte ihre Augen links und rechts wie ein Hammerhai. Dann faltete sie einen ihrer roboterhaften Unterarme aus und zeigte uns heimwärts:

Dass ich das noch erleben durfte!

Weiterlesen

10.9.

Wenn sich drei Menschen in einer Duellsituation finden, nennt man das aufgrund der Anzahl nicht Triell, sondern Mexican Standoff.

Auf dem berühmten Flüsterbild von Bush ist im Hintergrund ein Schild an der Wand des Klassenzimmers zu sehen, auf dem steht READING MAKES A COUNTRY GREAT.

Nachher fahren wir weg.

Weiterlesen