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2021:
SCHÄUMENDE
TAGE

Seit dem 1. Januar 2016 führe ich ein öffentliches Tagebuch, das in jedem Jahr unter einem wechselnden Titel erscheint. In diesem Jahr lautet das Motto «Schäumende Tage». Tagebucheinträge aus den vorangegangenen Jahren sind archiviert bei waahr.de

23.7.

Hoch interessant gestern die Frage, wie das Problem der Übersetzung zu lösen sein wird. Die Autoren schreiben allesamt schweizerdeutsch/deutsch, das Magazin aber soll auf Englisch erscheinen.

Mit DeepL habe ich insgesamt gute Erfahrungen gemacht, aber man braucht immer noch einen Muttersprachler, der die Texte, die das Programm ausgibt, nach menschlicher Konvention korrigiert. Einen Maschinensitter.

Und DeepL ist zwar ein lernendes System, wie das ja auch Angela Merkel für sich reklamiert hatte, aber halt auch nicht unfehlbar: «Mir schwillt der Kamm» wird zu «My comb swells». Ganz zu schweigen vom Heiligen Ernst.

Aber die Arbeitsleistung der Maschine wird kostenfrei offeriert, der Mensch braucht seine Tagessätze.

Soll ich meine Sprache an die Konvention der Maschine anpassen, damit wir Kosten sparen?

Die Schweizer, auf ihre Taschen klopfend: «Haha, soweit kommt es noch!»

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22.7.

Abends noch mit den jungen Theologen im Prater, heute früh dann mit den Hähnen nach München. Ein sogenannter Lifestyle, dem ich jahrelang gefröhnt‘. Heute, ich muss es zugeben, finde ich ihn nicht mehr allzu attraktiv.

München selbst ist im Grunde genommen schon Ausland. Das stellte sich mir bei der Ankunft schon dar. Ristorante Zum Nudelbretterl, man saß im Schatten vor der katholischen Pfarrgemeinde (natürlich irgendwas mit Maria) mit Ausblick auf ein holländisches Käsehaus.

Die Schweizer — wir hatten uns über ein Jahr nicht mehr live gesehen — waren unveränderter Laune. Wir planten den Sommer. Aus der Küche wehten Düfte von Knoblauch und gegrillter Paprika heran.

Die Münchner, übrigens, sagen zur Maske eben nicht «Maskerl». Ein Münchner Greis redete gar vom «Schmuck, meinem leidigen».

Der Marienplatz im prallen Sonnenschein. Graue Steinfassaden, Fruchtstanderl, 30° Grad.

Die Bahnfahrt macht die Sache freilich unangenehm.

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21.7.

On Life In A Northern Town: Gestern war in den Fries der Nachrichtenbilder ein Porträt von Clemens Setz montiert. Er wird mit dem Büchnerpreis ausgezeichnet.

Damit schließt sich ein Kreis. Es war im Supersommer 2015 gewesen, dass ich mit einer Rezension von Andreas Kilb auf Die Stunde Zwischen Frau Und Gitarre aufmerksam gemacht wurde; insbesondere durch die Bemerkung, der Roman enthalte ekelhafte Szenen. Und außerdem war er über 1000 Seiten schwer.

Noch immer ist seitdem in deutscher Sprache nichts besseres erschienen. Fraglich, ob ich Die Stunde noch einmal lesen würde — Ich glaube nicht. Dafür ist die Sprache nicht anregend genug. Dafür halt das Besprochene. Manches, davon einiges eher amorph, gefühlt, subkutan et cetera hat sich eingebrannt.

Kreis auch deshalb, da ich mittlerweile wieder im nördlichen Live, unter Einheimischen auch als Mascaraville bekannt, lebe.

Einst noch allein/Nun nimmermehr.

Es stehen zwei Exemplare der Stunde beieinander in unsrem Regal.

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20.7.

Das neueste Haus von Thomas Kröger™, dem Star-Architekt hier in Berlin ist offenbar fertig—Es schaut genau so Scheiße aus, wie alle anderen Neubauten hier in der Stadt.

Ist es Fünf, vier oder nur: drei Jahre her, dass ich aufgeregt vom Beginn der Aushubarbeiten berichtet hatte?

Dass man jemamd überschätzt,

Das gehört zu den Erfahrungen,

Deren Erfahrung einen bereichern kann.

Some Bubbles burst.

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19.7.

Ausfahrt nach Potsdam, wo sie vor dem Neuen Palais den Rasen längst nicht mehr mähen, sodass eine gelblich bunte Wiese die Gemäuer umweht. Borretsch blüht dort, Rainfarn, sogar Tabak. Es schaut wundervoll aus. In der Wiese west die verstrichene Zeit. Man sollte das auch bei den Neubauten in Berlin so halten. Dann müssten sie nicht gar so peinlich und billig hingestellt wirken; die Wiese verleiht ihnen Patina, wenn nicht sogar Würde, Geschichtlichkeit im Nu.

Gerade als ich, da schon im Weggehen, in einem Schuppen ein provisorisches Lapidarium entdeckt hatte, wo die Originale der verwitterten Sandsteinfiguren kreuz und quer ineinandergestapelt wie Mannequins aufbewahrt werden, ertönte Musik: Zwei junge Männer aus Indien fuhren mir ansonsten geräuschlos auf pistazienfarbenen Scootern entgegen, glitten, ihre Musik verströmend, an mir vorbei. Dem Palais entgegen.

Zukunft, Präsens oder Vergangenheit?

«Bakterien sind säureresistente Stäbchen»

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