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2021:
SCHÄUMENDE
TAGE

Seit dem 1. Januar 2016 führe ich ein öffentliches Tagebuch, das in jedem Jahr unter einem wechselnden Titel erscheint. In diesem Jahr lautet das Motto «Schäumende Tage». Tagebucheinträge aus den vorangegangenen Jahren sind archiviert bei waahr.de

31.8.

Ich denke, bei unserem Schmalspur-Wałęsa, dem Lokführergewerkschaftsführer Claus Weselsky aus Kreischa hat Die Spur der Steine einen gravierenden Eindruck hinterlassen: Der Watschentanz der Zimmermänner, er will mit Manfred Krugs nacktem Arsch im Gemeinebrunnen planschen.

Ich habe mir jetzt eine Heimfahrt im Flixbus organisiert. Es geht schneller, kostet ein Zehntel, hat kaum Hautgout.

Abfahrt zudem von Zürich Hauptbahnhof. Fahrt ohne Zwischenhalt.

Zum letzten Mal Bus gefahren (und das war super!) bin ich in Mexiko…

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30.8.

Lee Scratch Perry ist gestorben. Auf Jamaika, nicht hier, in Einsiedeln, wo er sich in seinen letzten Jahrzehnten niedergelassen hatte.

Auf der Langstrasse spielten die Bars und Spätis den ganzen Tag über seine Stücke aus offenen Türen.

Immerzu Regen.

Am Helvetiaplatz hatte das Volkshaus geschlossen. Im Fenster hing ein Hinweis auf den Freund, um den man heute trauern wolle.

In meinem Land leider undenkbar, gleich wo.

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29.8.

Und dann, zu einer späten Stunde der Nacht, die zugleich die früheste des jungen Morgens war, erfand ich, einfach so, eine neue Methode des Arbeitens für mich.

Jahrzehntelang hatte ich die Einstellungen für ein Manuskript gleich wo immer so eingestellt, dass ich bei Tabs auf 3 und 17 mit einer Futura auf 14 Punkt mit anderthalbfachem Zeilenabstand dargestellt schrieb.

Seit neuestem nun bei Tabs auf Null und 30, Futura in 48 Punkt, Zeilenabstand 1,3.

Es gibt damit keine Distanz mehr zum Text vor meinen Augen. Das Bild der Seite ist verschwunden, ich bin inmitten des Satzes selbst.

Der Einfluß auf das Schreiben ist nicht groß, aber entscheidend (momentan).

Die Idee kam mir bei der wunderschönen Website, die Mirko Borsche™ für Laurel Halo gestaltet hat. Das Schönste, was ich seit langem gesehen habe im Internet.

Je größer der Bildschirm, je schöner.

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27.8.

Gestern abends richtig schlecht essen gewesen, was hier ja einer Kunst gleichkommt. Dementsprechend fand ich mich erfrischt.

Am Nachmittag heute bei der Witwe von Giger. Sie hat mir alles gezeigt, eine Siamkatze (eine von dreien), schaute uns die ganze Zeit über zu.

Katzen sehen nicht, was wir sehen: Sie rieb und sie umschmeichelte den chrompolierten Rippenkasten eines biomechanischen Monsters, während sie uns nie aus ihren opalfarbenen Augen entließ.

Nachtessen mit jungen Künstlern, die viel und heftig Zigaretten rauchten.

Vom Balkon aus (in Wiedikon) schaute ich Orthodoxe unter ihren laibhaften Hüten aus Fell in bodenlangen Mänteln aus Kunstseide. Es fing dann später an zu regnen

Dachte viel noch an Gigers Modelleisenbahn (sie rollt über Schwellen aus Fingerknochen) und an seine Katzen. Sie haben ihn anscheinend überlebt.

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26.8.

Mit einem Mal mischen sich herbstliche Töne ins Bild der Stadt. Die Züricherinnen tragen herbstliche Mode. Auch andere Taschen. Auf dem Markt werden herbstliche Sträuße angeboten. Die Steine werfen längere Schatten.

Aber natürlich ist das nicht mit einem Mal passiert. Mir ist es nur auf diese Art aufgefallen, weil nicht an jedem Tag Markt auf dem Bürkliplatz ist.

Jetzt beginnt die schöne Zeit der Ernte. Und auch im Studio werden die Pinsel geführt, es wird getuscht und geklebt und auseinandergeschnitten. Alles ringsum meinen Tisch, auf dem der große Bildschirm leuchtet.

Gestern ist hier ein Tisch in sich zusammengebrochen unter seiner Last der auf ihm gestapelten Bände. Ich wollte dem Bildschirm zur Hilfe eilen, ihn retten. Aber Markus hielt mich zurück: «Erst ein Foto machen».

Ein Schwan schlingt seinen Kopf ins rückwärtige Gefieder, während er inmitten der glasgrünen Limmat treibt.

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