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2021:
SCHÄUMENDE
TAGE

Seit dem 1. Januar 2016 führe ich ein öffentliches Tagebuch, das in jedem Jahr unter einem wechselnden Titel erscheint. In diesem Jahr lautet das Motto «Schäumende Tage». Tagebucheinträge aus den vorangegangenen Jahren sind archiviert bei waahr.de

30.5.

Den rechten Platz erkennt man wohl daran, dass sich einigermaßen gleich viele Gründe finden ließen, für wie auch gegen ihn; allein dass halt die Argumente, die dagegen sprechen könnten, nicht die eigenen sind.

Beim Ernten von Bahndammgemüse traf ich den kleinen Kater an, der Neo heisst. Er saß dort in aller Herrgottsfrüh vor einer verschlossenen Haustüre und machte Miau. Ich konnte ihm nicht helfen.

Basic Channel in der Küche, die Geräusche der Maschinen fügen sich harmonisch ein in das musikalische Bild. Richtung Gesamtkunstwerk.

Speziell auf den Garagenhöfen, unter freiem Himmel, vor einer Reihe dieser wie aus Pappkarton zusammengenagelten DDR-Garagenhütten trifft man hier noch ab und an den veritablen Ossi an, der beispielsweise von einem Obi-Eimer in den anderen etwas umschüttet — gleich, ob Kompost, ob Marmelade. Es gibt ein spezifisches Ostgesicht, dass man an seiner Verdrießlichkeit erkennt.

Ganz anders vom Naturell her freilich unser Vermieter, der, obschon hier geboren, eine herrliche Bestlaune versprüht. Ständig. Wo er geht.

So hatte ich mir die Einwohner von Sylt immer vorgestellt. In seinem Fall halt Rügen.

Ich war nie auf Sylt.

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28.5.

Ein Tag unter Handwerkern — analog zum «full day at my dentist», von dem ein Kurator einst auf Instagram zu berichten wusste.

Am Morgen kam der Klempner, um sich der rieselnden Toilettenspülung anzunehmen währenddessen mir der Hausbesitzer Gesellschaft leistete. Wir sprachen über dies und das, bis wir letztendlich auf jenes weiße Kästchen an dem Platz, an dem ich schreibe, zu sprechen gekommen waren, das ich lange Zeit für den Bestandteil einer Alarmanlage gehalten hatte. Self explanatory ist etwas anderes. Und wer in Rätseln spricht — meiner Meinung nach sollte das auch für die Form der Erscheinung gelten —, der wird…

Der Schornsteinfeger also. Dieser wiederum hatte mir jüngst anlässlich seines leicht großkotzig als Feuerstättenschau angekündigten Antrittsbesuches mitgeteilt, das dieses von mir als Kästchen bezeichnete Gerät von seiner Warte aus beurteilt eine lebenswichtige Funktion zum Betrieb unserer Wohnstätte innehielt.

Bloß war halt leider die Batterie leer, weshalb er, der Schornsteinfeger, dem Hausbesitzer «diesbezüglich» eine Abmahnung zu schrieben gedachte.

Der Hausbesitzer wiederum, heute: Bei diesem Schornsteinfeger handelt es sich um einen renitenten Kerl, der in einigen Häusern des Viertels schon längst Hausverbot erteilt bekommen hat.

Hausverbot für einen Schornsteinfeger? Das klang für mich nach einem prickelnden Skandal. Der Hausbesitzer jedoch, geboren und auch aufgewachsen in diesem Viertel, fügte noch hinzu, dass es bei der Kammer für die Schornsteinfeger einen eigenen Raum gibt, in dem die Klageschriften und Beschwerden über diesen einen Mann aufbewahrt werden.

Eine Art König von Pankow also, allerdings ein schwarzer; ein Gessler.

Nachmittags nach dem Testen im Baumarkt, wo es Kakteen mit aufgeklebten Wackelaugen gab, denen man winzige Sombrerohüte aufgesetzt hatte. «African Mood» stand in den Großbuchstaben einer Brandeisenschrift auf dem Regal, das aus synthetischem Holz zusammengezimmert worden war.

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25.5.

Einige der Frauen lassen sich auf den Parkbänken nieder, um zu beten. Anscheinend. Aber betet die Gottesanbeterin (Mantis) wirklich nicht?

Mit Genugtuung habe ich heute im Vermischten gelesen: Kardinal Woelki wurde von einer seiner ländlichen Gemeinden gebeten, einer dortigen Firmung fernzubleiben. Man fürchtete sonst Rufschädigung. Es sind längst nicht mehr bloß die sogenannten Randkatholiken, die zu Protest gehen.

The cats are alright.

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24.5.

Eine Katze kam zu uns. Als ich am Morgen die Wohnung verlassen wollte, lag sie vor unserer Tür. Auf einem Fleck Sonnenlicht. Kaum, dass sie mich gesehen hatte, stand sie auf und kam herein.

Für jede neue Wohnung, für jede Umgebung gab es bislang eine Figur, die ein Portal war. In Frankfurt zuletzt war das die Muhme, jene rätselhafte Frau, mit der ich kaum je ein Wort hatte wechseln können und die mir dennoch die Schönheiten ihrer Heimat wies. Sämtliche Schönheiten Bulgariens. Ihr ganzes Reich.

Und hier, bei der Rückkehr nach Berlin, hatte ich zunächst geglaubt, es könnte vielleicht Scharge sein, jener Greis, der am ersten Sonntag behauptet hatte, schon seit mehr als fünfzig Jahren in diesem Haus zu wohnen.

Jetzt ist alles anders gekommen. Mit einer Katze, die weiße Pfoten hat und Mikesch heißt. Ausgerechnet!

Aus einem Buch mit diesem Namen, das von einem Kater mit weißen Pfoten erzählt, hat mir mein Vater vorgelesen.

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23.5.

Große Lust, zu kneten.

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