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2021:
SCHÄUMENDE
TAGE

Seit dem 1. Januar 2016 führe ich ein öffentliches Tagebuch, das in jedem Jahr unter einem wechselnden Titel erscheint. In diesem Jahr lautet das Motto «Schäumende Tage». Tagebucheinträge aus den vorangegangenen Jahren sind archiviert bei waahr.de

22.5.

Vom anderen Ende der Schönhauser Allee wird der Duft warmer Zimtschnecken herangeweht. Waking the dreaming body. Zu mir hat gestern jemand gesagt, ich sähe wie ein Apotheker aus. Warum immer wie jemand aus den alten Berufen?

Von überallher nahen schwankende Gestalten

«Abstandhalten, trotzdem dicht»

Im Gerippe unter den Gleisen der Hochbahn drehen drei Nimmermüde den Sound auf und bespritzen sich gegenseitig mit Bier. Die Ärzte spielen im kommenden Jahr 13 Konzerte in Berlin. Es hat sich einiges angestaut.

Ich komme von Vivienne Westwood, von Malcolm Mc Laren, von Sex.

Und von Peter Handke natürlich, von Hermann Lenz.

Nicht alles war schlecht.

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21.5.

Die Türen der Straßenbahn öffneten sich direkt zur Straße hin, die Hälften hatten den Blick freigegeben auf eine weibliche Person, die dort etwas weiter unten vor mir stand. Eine Frau, doch war ich von ihrem Anblick verblüfft wie sonst vielleicht von einem Wesen: Ihr Haar und ihre Haut waren exakt im selben Ton gefärbt.

So etwas hatte ich zuletzt in den achtziger Jahren an Max Headroom gesehen. Doch sie, das Wesen war keine Animation. Kein Hologramm. Kein Teleschöpf, sie war so wirklich wie auch ich selbst einer von den Wirklichen war.

Wenn das Haar schwarz gewesen wie die Nacht, wie Ebenholz, dann hätte es mich wohl nicht all so sehr verwundert. Aber sie hatte braune. Mit einem goldenen Schimmer. Wie Sprechpuppenhaar. Oder Möbelpolitur.

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20.5.

Manche Wale schlafen im Stehen.

Die Nachbarn halten sich einen Wellensittich. Seine Geräusche, das Rauschen, das er erzeugt:

He buzzes like a fridge.

Ich habe heute früh ein Gedicht

Von Jan Wagner

Gelesen:

Ich habe heute früh

Ein Gedicht.

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19.5.

Aus Anlässen werden Vorwände. Das ist nun mal so.

Ist das so?

Es gibt hier, in diesem Viertel, in dem die Zeit stehengeblieben scheint, einen Park, dort hat es alles. Heute sah ich zum Beispiel eine Robinie — kugelförmig gewachsen, wie es sich für eine ihrer Art gehört —, deren übereinander geschichtete Blattetagen wurden vom sanften Wind geradezu durchgefächelt wie das Tutu von Marie Taglioni.

Ich musste dabei an Cyprien denken. An sein Nightlife, und vor allem auch daran, dass mein Telefon mittlerweile diese extrem guten Zeitlupenaufnahmen machen kann; dass ich könnte, wenn ich wollte. Jederzeit.

An die Zukunft der Kunstproduktion dachte ich freilich auch.

Und an die öden Hi-Fi-Diskurse in den achtziger Jahren zwischen den Walkman-Leuten und den Lesern der Stereovision. Über die ganzen Unterschiede im Sound…

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18.5.

Kaufen sich Menschen Hunde, um eine Rechtfertigung zu besitzen (auch vor sich selbst) zum Spazieren?

Bloß finden sie sich dann halt in einer Abhängigkeitsbeziehung wieder zu diesem Tier, zu deren Symbol inzwischen die knisternde Tüte geworden ist.

Aber anfänglich, noch vor dem Kauf des Tieres, ging es um den Wunsch zu spazieren.

Trifft auf ziemlich viele, vermeintlich andersgeartete Beziehungen zu.

Übrigens.

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