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6.11.

6.11.

Herrlicher Abend im Neuen Erfurter Kunstverein, wo es auch endlich ein Wiedersehen geben sollte mit Boris Lochthofen. Dass es mir dort, in Erfurt, darüber hinaus noch zu einem veritablen Abenteuer gereichen sollte, ahnte ich freilich nicht — wie auch?

Ich hatte ein Bett im Gästehaus des Parks der Gartenausstellung reserviert. Mir war im Zuge dessen auch mitgeteilt worden, dass diese Unterkunft vollautomatisch vergeben wurde, was bedeutete, dass es in diesem Gästehaus keinerlei Personal gab. Haustüre und die Zimmertüre waren durch Eingabe eines übermittelten Codes aufzuschließen. Selbst für das Eingangstor zu dem Park wurde mir eine Zahlenkombination zugeschickt.

Und tatsächlich schob sich nach Betätigung der ausgewählten Tasten in der vorgeschriebenen Reihenfolge das meterbreite Rolltor beiseite, währenddessen eine orangefarbene Warnleuchte blinkte. Es war schon lange dunkel geworden. Der Park, den ich durch die Lücke, die das Rolltor für mich ließ, betreten hatte, lag vor mir in großer Dunkelheit.

Obwohl ich mich genau an die mir übersandte Wegbeschreibung halten wollte und, zur Sicherheit, auch noch auf meinem Telefon Maps mit den übermittelten Koordinaten des Gästehauses gefüttert hatte, konnte ich mein Bett nicht finden. Meine Suche wurde dabei im wesentlichen erschwert von drei Faktoren: Die Wegbeschreibung war missverständlich oder vage formuliert; das Kartenmaterial von Maps für den Park war falsch; nach einer Weile wurden sämtliche Laternen entlang der Parkwege abgeschaltet, woraufhin aus der großen Dunkelheit eine echte Weltraumschwärze geworden war.

Ich rief die Notfallnummer des Gästehauses an. Nach kurzer Zeit meldete sich eine Frau. Sie schien meinen Anruf befürchtet zu haben, entschuldigte sich für die Wegbeschreibung und die Unmöglichkeit, vermittels Maps sich durch den Park zu navigieren. Dass die Laternen nach 22 Uhr ausgeschaltet würden, läge am Energiesparprogramm der Parkverwaltung.

Sie wollte versuchen, mich von ihrem Bett aus in meines zu leiten. Gut eine halbe Stunde lang führte mich ihre Stimme durch die Dunkelheit. Ab und an leuchtete ich Wegzeiger an mit der eingebauten Taschenlampe meiner Uhr. Aber immer waren das Punkte, die sie, die Stimme in der Dunkelheit, ratlos ließen. Aufgeben wollte ich nicht.

Irgendwann entdeckte ich ein Paar Schweinwerferpunkte. Sie sagte, dass müsste der Sicherheitsdienst sein. Ich lief, mein helles Display schwenkend wie die Stofffetzenfahne eines Schiffbrüchigen auf die beiden Lichtle in der Dunkelheit zu. Überreichte dem Fahrer mein Telefon und ließ mich an seinem Ohr von ihrer Stimme legitimieren.

Der Fahrer, er hatte schon ordentlich einen im Tee, weigerte sich zunächst, mich zu dem Gästehaus zu fahren. Er könnte mir den Weg dorthin aber erklären, es sei ganz einfach…

Ich öffnete die Beifahrertür, setzte mich dort und sagte: «Nein. es reicht jetzt. Fahren sie los, bitte!»

Er musste lachen, drehte den Zündschlüssel und nach zwanzig Minuten Fahrt durch die Nach auf verschlungenen Pfaden erreichten wir dann endlich das Gästehaus.

Dort aufzuwachen allerdings, bei Sonnenschein, mit einem gigantischen Park ganz für mich allein war sämtliche meiner Mühen mehr als nur wert.

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