5.4.
Einhundert Seiten muss man lesen, heißt es, um eine weitere schreiben zu können.
An der Strandpromenade von Usedom sollen also demnächst die Kiefern ausgedünnt werden, um den Blick aufs Meer zu verbessern. Durchsichtiger zu gestalten. Ob das eine gute Idee ist, fragte ich mich. Schon auf dem Weg nach Usedom, irgendwo zwischen Malchow und Billerow war mir auf den sagenhaft flachen Feldern zur linken der Alleen der Staub aufgefallen, vielleicht war es auch Sand aus der legendären Streusandbüchse, der dort in gelblichen Wolken und Schwaden über das Land geweht wurde.
Mittlerweile hatte es angefangen zu regnen. Die Feuchtigkeit von oben hielt den Sand fest. Am Strand lagen haufenweise Muscheln, alle von der selben, einer nicht interessanten Art: weder von ihrer Form her, noch von ihrer Färbung; nicht einmal ihre Größe wegen würde es sich lohnen, eine davon aufzubewahren. Das Knirschen der Muscheldüne unter den Sohlen meiner durchnässten Tennisschuhe empfand ich allerdings als befriedigend.
Ein Teil der Insel gehört zu Polen. Am Ende der längsten Strandpromenade Deutschlands (länger als 12 Kilometer) ließen sich vage die Silhouetten von Schiffskränen erkennen, eventuell war dort, auf polnischem Terrain, eine Reederei? Man schaut jetzt mit einem gewissen Kitzel in diese Richtung, denn gleich hinter Polen liegt schon das Kriegsgebiet.
Vor der Zugbrücke nach Usedom, deren Geländer in einem schönen Farbton lackiert sind, kommt das Stettiner Haff. Auf dem Hinweg dachte ich Das kann ich noch auf dem Heimweg fotografieren, kurz darauf fing es zu regnen an.
Das Stettiner Haff ist fotogen. Es besteht aus einem Wald aus lauter Baumstümpfen, die aus dem blauen Wasser der Ostsee ragen. Die Baumstümpfe sind schwarz, wie verkohlt.
Wie viele Stunden man gehen muss, bis man eine Seite schreiben kann? Dieser Eintrag entspricht ungefähr einer Seite. Gegangen bin ich dafür einen ganzen Tag.