31.5.
In de schaduwrijke hoek — Sonnenlicht ist nicht gleich Sonnenlicht. Es scheint überall anders (wie mir scheint) und besonders schön in Afrika. Das hatte ich wirklich wahr und vollkommen vergessen. Dito die Langsamkeit der Leute dort. Ihr Pacing.
«It’s pretty grey and rainy here», haucht Maria Somerville in ihr Mikrofon. «But that’s comforting.»
Briten!
Eines Abends — man saß und aß in diesem Hotel, eine Pension eher, wie von Katherine Mansfield erdacht, an einem einzigen langen, blau lackierten Tisch bei Kerzenlicht — hatte die Wirtin eine Britin eingeladen, die einen Dromedarenritt von uns entfernt ihr Haus bezogen hatte. Dies, ihr Einzug in dieses Haus im, nun ja: Argan-, Tujen- oder Dattelgürtel von Sidi Kaouki, hatte natürlich gleichermaßen auch einen Umzug «mit sich» gebracht (habe, glaube ich, am Strand zuviel Mosebach gelesen!), da sie den Besitzer des Grundstückes, einen Marokkaner, der auch das ansehnliche Stück Land (vor allem halt auch mit einer Aussicht versehen; einem Blick auf den Atlantik, von dem auch alle anderen schwärmten, die sich von allen anderen Werten leiten ließen — nicht bloß von der Unverbaubarkeit, Roman) besaß, geheiratet hatte und zu ihm gezogen war. Aus London. Ihr Name war Emma fullstop
Es gibt im Grunde genommen bloß zwei Völker auf der Welt, mit denen ich keine guten Erfahrungen gemacht habe: US-Amerikaner und Briten. Ich will es jetzt nicht gleich übertreiben wie Jean Raspail, dass ich diese Menschen «nicht riechen kann», aber es haben sich, selbst in der Zusammenarbeit, zumindest in meinem Leben keine positiven Erlebnisse ergeben können.
Von daher war ich gleich verstimmt, als sich die Britin zu uns setzen sollte; zügelte mich aber scharf, denn ein solch kleiner Ausschnitt einer Gesellschaft — und draußen die Wüste! — erfordert ja ein Übermaß an Disziplin, damit der Oasenquell auch weiterhin erfrischend sprudelt.
Emma — dieser Name ist für Deutsche freilich in einer bestimmten Weise gebrandet — legte dann auch schon nach dem zweiten Glas heftig los. Ich meine: Es ist schon bewundernswert, wie sich diese Insulaner auch Jahrzehnte nach dem Konkurs noch als potenzielle Heilsbringer der Menschheit gerieren — ich hatte schon den Eindruck: müssen. Sie, Emma, beispielweise hatte angeblich vor, den Marokkanern den Gebrauch von Plastiktüten abzuerziehen «It’s a crying shame!»
Wie um mich davon abzulenken spulte währenddessen mein Gehirn auf circa zwei bis drei Spuren (also auf jeden Fall auf mehreren, als die landestypische Schnellstraße durch Marokko führt) einige Gedankengänge ab, die mich wohl weiter weg von diesem Thema führen sollten:
Erstens dachte ich an Mike Batt: Wie würde heute wohl seine Komposition «Ride To Agadir» aufgenommen werden von der Weltöffentlichkeit?
Zweitens fiel mir wieder ein, dass wir ja in einem Hotel, in einer Pension untergebracht waren und derzeit auch saßen, in der es keinen Strom gab; man duschte bei Kerzenlicht. Emma predigte bei Kerzenlicht zu den Umweltsünden der Berber.
Drittens ging es um David de Rothschild, den ich vor fünfzehn Jahren in San Francisco getroffen hatte. Eine Schweizer Uhrenfirma hatte mich dorthin geflogen, für einen Tag, bloß dass er mir in situ von seinem Plan erzählen konnte, als ein Wiedergänger Thor Heyerdahls mit einem auf «Plastiki» getauften Schiff aus Plastikflaschen nach Australien zu segeln, um damit, mit seiner Aktion, auf den Plastic Swirl im Ozean zwischen Hawaii und dem Fünften Kontinent aufmerksam zu machen.
Ich behielt das, behielt all diese Hintergedanken freilich für mich.
Wenn man alt wird, richtig alt, beginnt sich alles zu relativieren. Sogar die Perfidie von Albion.
Bald darauf legte ich mich ins Bett, und hörte Emma weiter unten noch immer reden. Ich holte Luft.
Dann blies ich meine Kerze aus.