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3.4.

3.4.

Heitere Fahrt in die alte Heimat bei zwar kühlem, dafür sonnigem Wetter. Wir hatten ein Upgrade erhalten, der Wagen war ein gedrungen muskulöser Japaner, der überdies (und seiner Karosse) in einem affigen Perlmutt lackiert worden war. Mächtige Stereoanlage — wie ich ja sowieso finde, dass man Musik nirgendwo so klangvoll zu Gehör bekommt, wie in einem dahinjagenden Automobil.

Um mich bei Laune zu halten, las mir Friederike aus den soeben Fischer oder Hanser erschienenen Tagebüchern von Carolin Emcke vor — dies freilich auch zur Vorbereitung auf unseren Besuch bei meinen Eltern, denn die lieben Carolin Emcke. Bei meinen Eltern hängt im Esszimmer sogar ein Porträt von ihr an der Wand. Christian Schad hat es gemalt und bei ihm heisst sie Sonja.

Friederike las mir die Stelle aus dem ersten Kapitel vor, als einst der Lockdown verkündet wurde und abends spielt Carolin Emcke mit ihrer Freundin Scrabble, und die legt dann das Wort «Axtmord». Und dann noch die Story aus dem zweiten, als Carolin Emcke in einer Videokonferenz mit ihrer palästinensischen Freundin sich von ihr beibringen lässt, wie sie ein bestimmtes palästinensisches Reisgericht zuzubereiten hat und natürlich hat auch diese Freundin aus Palästina bald schon den telekinetischen Axtmord an Emcke im Sinn, weil Emcke wider Erwartens nicht so gut kochen kann (ausserdem ist die Leitung miserabel, bzw. nicht so gut wie im Gaza Streifen et cetera).

Das erste Kapitel ist übrigens mit einem Zitat von Georg Büchner überschrieben, das zweite mit einem von Proust — Es ist also klar, wohin dieser Hase lang laufen wird bis zum Herbst. Aber früher genügte uns noch ein palästinensischer Schal, ein kariertes Pali-Tuch, wie es Arafat damals als Turban trug, um Flagge zu zeigen. Echte Palästinenser, geschweige denn deren Reisgerichte kannten wir nicht mal vom Hörensagen…

Aber genau in diesem Moment zeigten sich draußen die beinfarben getupften Blütenwölkchen am Hang. Und manche Bäumen waren vom senffarbenen Dunst früher Blätter umflort. Auf den Wiesen standen blütenvoll die Birnbäume. Und meine Mutter hatte Maultaschen gemacht.

Tagesaktuell getestet — das neue frisch geföhnt — flogen wir uns in die Arme.

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