27.3.
Den ganzen Sommer über hielt sich im vergangenen Jahr ein Amselsänger in unserer Nähe auf. Meist hatte er sich auf dem First der kleinen Schmiede im Hinterhof aufgebaut, um in der Morgenfrühe und später noch einmal in die Blaue Stunde hinein sein Lied zu bringen. Dass es stets der selbe Vogel war, ließ er an einer Phrase erkennen, die nicht bloß rhythmisch aus seiner Komposition ragte und die er immer dann einzubauen schien, wenn sein Vortrag allzu geschmeidig zu werden begann.
In der Erinnerung ist mir seine kleine Phrase geblieben. An ihr wollte ich ihn wiedererkennen können nach der Winterpause. Er ist bis dato nicht zurückgekehrt. Aber ich höre andere Amselhähne singen. Lieder verschwinden mit dem Sänger, falls man sie nicht notiert.
In der neuen Ausgabe der Schwäbischen Heimat wird die Geschichte einer Band von Indonesiern erzählt, die aus unerfindlichen Gründen, aus Holland kommend, im Stuttgart der Nachkriegszeit hängengeblieben waren. Dort traten sie in einer Barackenbar auf, die es natürlich längst nicht mehr gibt und spielten eine Gitarrenmusik, von der nur wenige Aufnahmen erhalten geblieben sind. Es kommen Zeitzeugen zu Wort, die sich an die Auftritte erinnern können, unter anderem auch der ehemalige Betreiber des Musikhauses Barth, wo auch ich später noch meine zweite, eine bessere Gitarre erstehen konnte. Es wird unter anderem die Theorie aufgestellt, dass Jimi Hendrix seinen Tick oder Trick, die Saiten mit Zunge, Zähnen und Füßen zu traktieren, von eben diesem Indonesier übernommen haben soll. Auch wie die Kunde aus dem Stuttgarter Barackendörfle via G.I.-Mund-Zu-Mund-Propaganda an das Hendrixsche Ohr herangetragen wurde, steht in diesem Text drin.
Alles an dieser Geschichte war gefährdet, unerzählt zu bleiben: Die Barackenbar längst abgerissen (an ihrer Stelle wurde in den achtziger Jahren das sogenannte Schwabenzentrum inklusive Baghwan-Diskothek gebaut), Musikhaus Barth eingeebnet, Hendrix tot, die Musik aus der Mode, der Indonesier als Privatier an Krebs verstorben.
Doch dann dieser Text. Wie eine Truhe oder Barke. Etwas Bergendes halt.
Das ist, worum es geht.