25.4.
Obzwar nicht arm an großen Bäumen, hat sich die neue Wohngegend bislang als Amselarm erwiesen. Nebelkrähen sind, klar, so üppig vorhanden wie überall sonst auch in der Stadt. Von der nahegelegenen Kleingartenanlage wird ab und an das Keckern eines Grünspechts heran geweht. Und aus den Sträuchern schallt es vor lauter Spatzen.
Berlin ist eine Spatzenstadt. Im Naturkundemuseum, das vorausschauenderweise in der Invalidenstraße eingerichtet wurde, gibt es ein Diorama mit dem Titel «Tiere in der Stadt». Dazu gibt es eine realistische Berliner Bushaltestelle zu sehen, an der ein eventuell hyperrealistischer Abfallbehälter im Begriff scheint, überzuquellen wie der Breitopf im Märchen; allerdings nicht mit Brei, sondern halt vor lauter Müll. Die lebensecht präparierten Spatzen indes wurden von allen Seiten her um diesen Quell sich tummelnd arrangiert.
Das Diorama stammt aus den siebziger Jahren, aber wer sich beispielsweise schon einmal in der Sredzkistraße mit seinem Croissant dort vor die sagenhafte Bäckerei versucht hat hinzusetzen, wird schon wissen: Die Spatzen gibt es. Und Hunger haben sie auch immer noch.
Aber sie pfeifen nichts von den Dächern. Spatzen schnatzen. Im Sprichwörterverzeichnis von Lutz Röhrich steht, dass der Spruch mit den pfeifenden Spatzen erst seit dem 19. Jahrhundert nachgewiesen, beziehungsweise belegt werden kann.
Eventuell hat seitdem nicht etwa das Lausch- oder Hörvermögen zugenommen, wohl aber das Interesse an den Tieren in der Stadt. Fortan pfeift nicht alles oder singt, sondern…
Jedenfalls saßen wir heute nach einem Gang durch den Kirschgarten am anderen Ufer des ehemaligen Todesstreifens vor einem Lokal namens Pizzahütte, das freilich geschlossen hatte. Aber über uns, aus dem nackten Geäst eines Baums, sang eine Amsel.