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25.2.

25.2.

At the Fly-In — Kaum war mir dieser Gedanke im Angesicht der üppig blühenden, von daher auch emsig umschwirrten Hyazinthe auf unserem Balkon aufgegangen (dabei sah sie doch wie aus Plastik aus!), musste ich auch an Andreas Bernard denken, der stets ein großer Freund und auch Verfechter der gleichnamigen Band war, vielleicht ja auch immernoch ist, wer weiß? ich jedenfalls weiß es nicht; wir haben uns im Sommer vor dem Tag, der zu einer Ewigkeit wurde, zum letzten Mal gesehen. In Claudius‘ Garten. Ohne Schlange und vor allem: ohne Cornelia.

Aber drunten war nicht etwa die Abrissparty von Klopsi Mulligan in ihre vierzigste Runde gegangen, es war ein ganz normaler, üblicher und wie gewohnt ablaufender Nachmittag am Tel-Aviv-Platz, der diesen Lärm unter der Sonne verschuldete (und in seinem weiteren Verlauf zu einem veritablen Wettstreit mit deren Brüllen eskalieren sollte).

Alles fing damit an, dass ein neben mir einherschlendernder Herr einmal und dann noch ein paar Mal in die Rotunde spuckte, an deren Rand ich im Halbschatten saß und las. Der Spuckende murmelte Unverständliches. Bis, mir kam es vor wie auf ein Mal, ein anderer Herr, ähnlich gekleidet und frisiert, ihm Unfreundliches zurief. Beide schrien sich jetzt über die Rotunde hinweg an, bis der, der zuerst gespuckt hatte, von dem anderen, der auf ihn zugestürmt war, angespuckt wurde, denn offenbar hatte dieser unterdies auch dessen Frau beleidigt, die bislang und doch wie unbeteiligt, als verhüllte Spielfigur am Rande des Tumultes dabei gewesen war.

Ich zog rasch um, der Platz bietet ja diverse Möglichkeiten, sich zu setzen: Es muss nicht in der ersten Reihe sein. Auf der Autobahn neulich waren wir zwangsläufig, da man im Auto wie auf Schienen hinter den anderen sitzt, Zeuge geworden einer ähnlich primitiven Auseinandersetzung. Da hatte ein Beifahrer den gleichauf dahinjagenden Wagen bei 160 km/h mit einer geöffneten Dose eines Energy-Drinks beworfen, dabei den Streitwagen freilich verfehlt, sodass sein Geschoss schäumend und dabei sich in der Luft fortwährend überschlagend, ricocheting auf unsere Windschutzscheibe zugeflogen kam; zugerast, genauer gesagt, denn auch wir hatten ja unserer Hinterleute wegen auf 160 km/h beschleunigt…

Wie ein über den Platz rollendes Knäuel aus akustischem Klebeband hatte die Auseinandersetzung der beiden Spuckhälse inzwischen weitere Stimmen an sich gebunden. Die Verhüllte rief mit ihrem Telefon die Polizei. Ich schaute auf meine Uhr.

Als nach 13 Minuten tatsächlich ein Mannschaftswagen vor der Rotunde anhielt und zwei Polizisten sich die FFP2-Masken aufsetzten, um mit der Vernehmung zu beginnen, war ich gerade bei dem Satz angelangt, den Pynchon im Vorwort zu Spätzünder schreibt, um zu bekräftigen, nein: um zu illustrieren, warum er «Entropie» für misslungen hält: Geht man aber zu konzeptuell zur Sache, bleibt zu niedlich, zu idiosynkratisch, überleben deine Figuren die nächste Seite nicht.

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