Zum Inhalt springen

23.4.

23.4.

Eine Frau kommt und holt die zehn Kartons ab, die wir annonciert hatten. Sie freut sich: «Da freue ich mich aber.» Es so viel Bedürfnis hier in der Stadt, beinahe hatte ich es schon vergessen. Es war abstrakt geworden. Wie eine Wolke. Jetzt steht sie wieder direkt über mir.

Auf einem kurzen Ausflug in die östliche Innenstadt begegnet mir schon so viel Leid, vor allem Armut, aber auch Freaktum, Selbstisolation aus Verzweiflung, aus dem über Jahre und Jahrzehnte ausgehärteten Gefühl des Ungeliebtbleibens, das es schon wieder ins Abstrakte sich verformt und damit erträglich für mich wird. Zum Aushalten. Wie man das sagt, an einem stechend heissen Tag, auf einem Platz im Schatten: Dass es hier zum Aushalten ist.

Und trotzdem bleibt das Wesentliche für mich, dass Berlin die Hauptstadt ist. Der Bundestag und die Gesetze, der Lifestyle der Abgeordneten, jeder Water-Cooler-Chat auf dem Flur findet hier statt vor der Kulisse eines unaussprechlichen Elends. Die Stadt ist ein endloser Windfang der Macht, in dem es säuselt und heult.

Vor einer Filiale der Berliner Sparkasse liegt ein altersloser Mensch in einem Sonnenfleck und gießt sich aus einer Taschenflasche eine klaren Flüssigkeit in den Mund. Vor ihm steht eine Freakfrau, in gelblich, grünen Tüchern und Nylonstrumpfhosen und ruft ihm zu «Nicht trinken! Nicht auch noch trinken!»

Und hier soll ich Geld abheben.

Weiterlesen