23.12.
Heute früh eine Perversion des Proustian Rush durchlebt dergestalt, dass mir ein Vorschwall heißen Tees aus der Schnaube schoss und, ich schenkte stehend ein, mir an dem Tassenrand vorbei und damit sehr viel tiefer drunten auf den Fuß fiel.
Ein Abend stieg in mir auf aus diesem Schmerz, ich war mit Katrin im Kino gewesen, in jedem Kino auf der Reeperbahn, in dessen Saal man rauchen durfte, wir hatten uns Blood In, Blood Out angeschaut — der dringenden Empfehlung Daniel Richters zufolge — und, der Abend war ja noch jung (und wir waren es auch) beschlossen, Roberto zu besuchen, der in Nachbarschaft zu diesem Kino in einer Seitengasse wohnte. Ohne uns voranzumelden. Das Mobiltelefon war ja noch nicht erfunden.
Humpelnd öffnete er uns die Tür. «Hatschend» hätte man es im Schwäbischen genannt. Im war, davon hatten wir freilich nichts ahnen können, am Vorabend beim Einschenken von Kräutertee die Kanne umgekippt und hatte ihre kochendheiße Fracht über seinen rechten Fuß entladen. Der zu allem Unglück in einer dicken Wollsocke gesteckt hatte, weswegen die verbrühende Wirkung sich noch intensiviert haben sollte. Hatte man ihm zumindest im Hafenkrankenhaus erklärt. Alle Haut und sogar eine Schicht vom Fleisch waren von Robertos rechtem Fuß dort abgeschält worden. Er hatte sich beinahe durchgegart.
Well done und ähnliche Wortspiele gehörten damals zum sogenannten Guten Ton. Und so entwickelte sich aus dem beiderseits unverhofften Krankenbesuch noch ein erspießlicher Abend.
Aus Robertos Fenstern konnte man auf die vom vorweihnachtlichen Regen glitzernde Reeperbahn schauen, das weiß ich noch ganz genau.
Ich hatte übrigens auch gestrickte Socken angehabt heute früh. Aber bei mir war es halt bloß ein kleiner Spritzer heißen Lapsangs gewesen; im Grunde doch nur ein Tropfen. Aber a little goes a long way — zumindest was mein Gedächtnis anbelangt.