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21.12.

21.12.

Offenbar war gestern schon der Zwanzigste, den ich irrenderweise für den 19. gehalten hatte… Mit Zahlen hatte ich es bekanntlich noch nie.

Aber der Umzug hatte auf lange Sicht einen Wechsel der Bank unumgänglich gemacht. Auch dort, im sogenannten Bankwesen, hatte sich mittlerweile einiges getan — wie ich feststellen durfte. Meine Kundenberaterin jedenfalls hat sich inzwischen die Oberlippe zum Entenschnabel aufpolstern lassen. Den Ziffernblock ihrer Tastatur bedient sie mit den glasharten Spitzen ihrer synthetischen Fingernägel, die ungefähr zweieinhalb Zentimeter über ihre organischen Fingerspitzen auskragen.

Ein früher Klassenkamerad, Jürgen, schied damals freiwillig aus dem Gymnasium aus, um Banklehrling bei der Kreissparkasse zu werden. Dafür musste er sich den Ohrring aus dem Ohrläppchen nehmen, um einen seriösen Eindruck abgeben zu können. Ich sehe ihn heute noch beinahe ungetrübt vor mir stehen hinter der Panzerglasscheibe des Schalterraums in seinem Konfirmationsanzug; das Loch im Ohrläppchen schon beinahe zugeheilt…

Das Licht in dem Großraumbüro, in dem mich meine Kundenberaterin gestern empfangen hatte, empfand ich neuerdings als gnadenlos. Für mich wäre es unerträglich, dort acht Stunden lang hinter der Spuckschutzscheibe zu sitzen. Auf dem Tisch eine kleine Pyramide aus Holz, deren Segmente in Primärfarben lackiert sind wie Bauklötze: So baut man ein Vermögen auf.

Der Nebentisch, eine Insel der Arbeit. Die Rede dort war von Schnitzel mit Blumenkohl.

Wennn ich mehr als einhunderttausend Euro anhäufe auf meinem Konto, muss ich eine Verwahrgebühr bezahlen von 0,5% pro Jahr. Auch das hatte sich verändert seit Jürgens Einstieg in das Gewerbe. Ich versprach ihr, dass ich es nicht so weit kommen lassen will.

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