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20.5.

20.5.

Selbst die Eiben «unser Baum!» zeigen jetzt sämtliche Fingerspitzen in Maifarbe lackiert. Wenn wir schon über Anomalien reden: dass ich mit jedem Winter vergesse, wie schön Sommer ist, dass ich mich freuen kann — vielleicht wie ein Kind — wenn er wiederkommt wie frisch gebacken, wie geschlüpft: das ist eine Eigenheit, die ich liebe.

Anderntags war ich in einem Apple Store der krassen Gegenwelt zur Freien Wildbahn. Dort wächst nichts, alles ist Gestaltung. Dabei hatte ich mir eigens denjenigen in Westberlin ausgesucht, weil in dem in Ostberlin Bäume aufgestellt sind, die mich an die Afroamerikaner erinnern, die in den Boutiquen Manhattans dafür angestellt sind, dass sie den lieben langen Tag im schwarzen Anzug mit Krawatte neben der Eingangstür stehen. Dort nichts machen, nicht die Tür aufhalten oder sonst irgendetwas tun – einfach nur still stehen. Und aussehen. So empfinde ich in Anbetracht dieser Bäume im Apple Store. Living statues.

Aber wie in jeder Gated Community findet sich auch im Apple Store ein heiteres Völkchen ein. Eben nicht uniform oder sektenhaft, sondern die sprichwörtliche bunte Mischung á la Quality Street.

Ein jüngerer Mann mit sehr langem, durch Wasserstoffperoxid gebleichtem Pferdeschweif interessierte sich für das gleiche Modell iPad. Sein voriges war ihm vom Notenständer gerutscht, er ist Orchestermusiker. Bei den iPads der ersten Generationen ließ sich das Display noch austauschen, das ist bei den aktuellen Modellen nicht mehr möglich. Man kauft eine Versicherung über zwei Jahre und erhält im Schadensfall ein nigelnagelneues Gerät.

Es sind und bleiben ja Geräte. Auch wenn der Store, der silbrige Garten eines Apple Stores, in dem sie sozusagen vorkommen, an vieles anderes denken lässt. Und das wird als inspirierend empfunden — ein Schlüsselbegriff unserer Tage.

Den Rest des Tages dann den Augenblick hinausgezögert, wo der erste von mir in die neue Tastatur eingetippte Buchstabe vor mir auf dem neuen Bildschirm erscheint: Voilà!

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