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2.11.

2.11.

Schon längst bevor die Eingangstüre aufgeschlossen wird, hatte sich vor dem Medizinischen Versorgungszentrum MVZ eine Schlange gebildet. Jeder, der jetzt noch durch die Seitengasse zu den Wartenden stieß, wurde mit stillem Kopfschütteln und ähnlichen Gebärden begrüßt.

Die Schwester, ich kannte sie nicht, die mir Röhrchenweise Blut abnahm und die damit gefüllten Röhrchen jeweils mit routinierter Beiläufigkeit in das Silber einer Nierenschale klappern ließ, erklärte mir, dass es nach jedem Wochenende diesen Andrang auf die Sprechstunde gibt. Über das Wochenende, besonders während des Sonntags hat sich dann eine Menge Einsamkeit angestaut.

Es gibt, behauptet sie, Montags bei ihnen oft keinen einzigen Fall, dem mit medizinischen Mitteln geholfen werden könnte. Die Leute suchen hier das Gespräch. Zumindest irgendeins.

Ich fragte die Schwester, ob sie von den Plauderkassen gehört habe, die es jetzt in holländischen Supermärkten geben soll. Hatte sie nicht. Fand die Idee aber gut.

Ich würde auch selbst gern als Plauderkassierer arbeiten. Nicht ausschließlich, aber ein Mal in der Woche durchaus.

Draußen vor dem MVZ lag ein Krankenblatt auf dem Trottoir, malerisch von herabgefallenem Lindenblättern bedeckt. Ein entzündetes Auge war abgebildet, blau starrte aus seiner Abbildung heraus, wie der Himmel.

Schon vor 61 Jahren war Arno Schmidt aufgefallen, dass «In der Nacht vom 1. zum 2. November 1960 ein schlagartiger Blätterfall erfolgt war: weite Gebiete müssen damals sofort rostrot gewirkt haben.

In Bargfeld stehen Buchen. Hier wirkt alles vergilbt.

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