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19.8.

19.8.

Den Schweizern von Zürich beim Zahlen zuzuschauen ist mir ein Vergnügen. Wie den Franzosen von Paris beim Küssen vielleicht, den Argentiniern von Buenos Aires beim Tango, den Italienern von Capri beim Mozarellaabstechen, den Engländern von London beim Aufschieben eines Regenschirms.

In Frankfurt war das anders, fiel mir auf. Dort hat mich einzig die Geschwindigkeit fasziniert, mit der die Automaten meine Auszahlungswünsche erfüllen konnten. Wahrlich automatenhaft. In Berlin, vielleicht ein Omen, quietschen und knarren die Servomotoren ja wie gequält, während sie dir die Karte wie eine Ausscheidung wiedergeben. Und die Scheine, die man ebenso mühselig herausbefördert bekommt, sind dann warm und spürbar gebraucht.

In Frankfurt frisch. Und kühl. You drink straight from the source.

Das Papier der Schweizer Franken ist zäh, glatt und dick wie Plastik. Eine einzigartige Substanz.

Die Gesten des Zahlens sind hierzulande mannigfaltig. Der Vorgang selbst hat beiläufig zu geschehen. Smalltalk legt eine herzige Tonspur über das Eintippen der PIN oder das Heraussuchen des Wechselgeldes.

Subtext: Zahlen? Keine große Sache. Hier wendet sich niemand ab wie daheim, um den absurden Verdacht, man wollte eventuell die Geheimzahl kiebitzen, im Vorneherein abzuwenden. Wozu auch? Es hat hier jeder genug, es ist bodenlos tief für alle da.

Dachte ich. Bislang. Aber gestern erfuhr ich, dass es sehr wohl Schweizer in Zürich mit Armutserfahrung gibt. Freilich mit einer Armut, die man als Deutscher niemals als solche erkennen könnte. Die aber in diesem Land derart traumatisierend sich auswirken muss, dass man ein Leben lang als lässiger Zahler erkannt werden will.

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