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17.11.

17.11.

Manchmal stanzt das formlose Geschehen einen Phänotypen aus. Helden sind mir so nur selten begegnet. Aber gestern erst ein Querulant.

Er hatte vor mir in der Kassenschlange im Kaufland gestanden, wo es ja alles gibt, im Kühlregal sogar den in Schwarz, Rot und Gelb gestreiften Smoothie mit dem Handelsnamen Danke Merkel, also tatsächlich alles — bloß halt keine Amarena-Kirschen (weil jetzt Winter ist). Er immer noch vor mir, weil er ein kleiner Mann ist, geradezu zierlich von Wuchs, bin ich verhältnismäßig spät erst auf ihn aufmerksam geworden.

Er hatte mich auf sich aufmerksam gemacht. Ein Rascheln. Ich schaute auf seine Hände, die eine Verpackung von Rispentomaten mutwillig zerstörten, während sie vor ihm auf dem milchig schwarzen Kassenband lagen. Alte Hände. Sie hatten ihre Mühe mit der Zerreißung des synthetischen Materials. Ein alter Mann. Ich schaute dann aber nicht mehr weg, weil ich den Vandalismus von Alten nicht kannte bislang.

Die Kassiererin eschien ihn zu kennen. Ohne einen Kommentar nahm sie von ihm die angeblich defekt angebotene Ware entgegen und ließ das Tomatenpäckchen mit betont achtloser Geste in einen Eimer zu ihren Füßen plumpsen. Und scannte unverdrossen seine restlichen Kaufwünsche ein.

Freilich dauerte es ewig, bis er die nötigen Münzen aus seinem winzigen Portmonnaie gefingert hatte. Die Kassiererin sagte dazu nichts. Erinnerte ihn aber, bevor er sich zum Gehen wandte an «die Bananen», die er dann — zwei Stück — aus dem Brustfach seines DDR-Mantels zog. Knurrend: «Als ob ich die klauen wollte.»

«Ich bin die einzige, bei der er noch einkaufen darf», sagte die Kassiererin zu mir, als er außer Hörweite war. «Bei allen anderen Kasisiererinnen hier hat er Hausverbot.»

In Zürich hatte mich zu später Stunde, die ja gemessen an dem Rahmen dieser Feier, eine noch frühe war, Olivier gefragt, ob ich denn wirklich ein Jahr älter als Ernst Jünger werden wollte.

Und Patrick, Kung-Fu-Panda zitierend: Yesterday is the past, tomorrow is a mystery. Today is the present and that is why we call the present a gift.

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