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12.4.

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Ich bedauere es mittlerweile sehr, dass ich mich an die allermeisten meiner kulinarischen Erfahrungen nicht mehr recht erinnern kann, oder gar noch gar nie konnte? Eventuell weil positive Erfahrungen dieser Art bei mir nicht spezifisch gespeichert wurden, bloß generell als gut; das reicht schon aus, um beim Anblick der nächsten Auster meinen Wunsch zu produzieren, sie schlürfen zu dürfen. Aber ich schwelge nie in Austernfantasien.

In Texten, noch mehr in Filmen gibt es manchmal diese Szenen, in denen sich jemand an seinen ersten Schluck Champagner erinnert — lebhaft, perlend: ich beneide dann die Figuren, halte solche Erinnerungen an konkrete Geschmackserlebnisse aber für konstruiert.

Gestern habe ich einem Mädchen von vier Jahren eine Kaugummispezialität namens Center Shock geschenkt. Dabei handelt es sich wohl um einen mundgerechten Behälter aus süßem Kaugummi, in dessen Inneren ein schockierend saures Gel verkapselt wurde. Die Geschmacksrichtung war laut Einwickelpapier «Hidden Apple». Das Mädchen kann noch nicht lesen, also war sie bei Ihrer Vorstellung, wie diese ihr unbekannte Süßigkeit wohl schmecken oder wirken könnte, allein auf die Beschreibungen der Autoritätspersonen in ihrem Umfeld angewiesen.

Auf einem Video, das die Mutter angefertigt hat, ist das Mädchen dabei zu sehen, wie sie zunächst voller Vorfreude den Center Shock in den Mund legt. Dann, nach erstem Kauen, macht sich die unerwartet sauer schmeckende Füllung des Hidden Apple breit und instinktiv reißt sie sich sofort den eben noch süße Informationen verteilenden Bissen heraus. Versucht es dann nach einigen Augenblicken nochmal — jetzt überwiegt bei ihr der Unglaube, dass ein Gastgeschenk auch etwas Unangenehmes sein könnte. Trotz allem, es schmeckt ihr weiterhin nicht. «Zu sauer, zu scharf».

Gleich darauf rationalisiert sie das irritierende Erlebnis mit dem Danaergeschenk als «gute Idee, die leider nicht gut schmeckt.»

Ich hoffe, dass sie eines Tages darüber schreiben wird.

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