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10.2.

10.2.

Herrlicher Ausflug nach Erfurt, wo ich mich in Eriks Haus und Atelier allmählich heimisch fühle. Die Stunden verzehrten sich auf die mir liebste Weise selbst, wenn auf die denkbar komprimierte Weise sich ein Gedankenspiel ans nächste hängt. Und es gibt noch immer Neues zu entdecken: So trinkt man dort als Magenschnaps den sogenannten Aromatique aus Neudietendorf — nicht ganz so homöopathisch vom Geschmacksbild her wie der Bitter, den mein Vater ansetzt, aber eine Delikatesse ist es allemal.

Kurz vor der Heimfahrt fand ich mich, da schon am Bahnhof, in die Betrachtung des verglasten Ausgabeschacht am Brezelförderband in einer Filiale von Ditsch versunken. Der Aufstieg des Mainzer Familienunternehmens zu einem deutschlandweit agierenden Brezelmulti erscheint mir noch immer als eine recht vielseitige Metapher für meine Zeit. Ernst Jünger wäre im Angesicht der nonstop vom Band in den gläsernen Trog stürzenden Brezeln eingefallen, wie doch der einzelne in der Stunde eines Todes ausmünzt, aus dem Barren. Wobei mit dem Barren freilich der ungelaugte und auch noch ungesalzene Teig aus der Ditsch-Zentrale gemeint sein würde, bevor die Maschine aus ihm Brezelformen geschlungen, um diese, gelaugt und gesalzen, auf das Förderband durch die Ofenschleuse zu schicken.

Im ICE, einem Sprinter, erhielt ich dann unverhofft Post aus Schnellroda: Günther Maschke war gestorben. Götz Kubitschek, der allem Anschein nach den kleinen Eilnachruf selbst abgefasst hatte, kannte Maschke freilich, wie im Grunde ja alle, lediglich auf osmotische Weise. Auch mir war er allenfalls flüchtig bekannt gemacht worden an jenem Abend in Frankfurt, von dem ich heute gar nicht mehr mit Sicherheit sagen könnte, ob er sich während der Pandemie oder noch in ihrer Vorzeit ereignet haben könnte, aber jedenfalls hatte unsere Begegnung damals auf Vermittlung von Lorenz Jäger stattgefunden. Maschke, der an diesem Abend recht viele Filterzigaretten rauchte, sagte an diesem Abend zwei Sätze, die mich nachhaltig beeindruckt zu haben scheinen und die mir gestern im ICE, als ich Post aus Schnellroda erhielt, das Günther Maschke gestorben ist, wieder klar vor Augen standen:

«Peru ist ein Langküstenstaat.»

Und

«Die größte Erfindung der Menschheit seit dem Rad sind Silikonbrüste.»

Martin Mosebach war damals ebenfalls anwesend, wie mir dabei eingefallen ist, aber wir mussten ihn, Maschke, gottlob nicht lange bitten, uns den Hintergrund zu dieser letztendlich doch verblüffenden Alterweisheit, einem veritablen Greisenblitz, noch etwas aufzuhellen.

Es war wohl so gewesen, dass er sich seit einiger Zeit einer neuen Lebensgefährtin erfreuen durfte, die — eine Kolumbianerin, wenn ich mich recht erinnere — nicht allein um viele Jahre weniger alt war als er selbst, sondern auch jetzt schon, in jungen Jahren mit eben solchen Silikonkissen eingepflanzt zu leben bereit war. Günther Maschke wusste also genau, wovon er sprach, wenn er vor uns im schwärmerischen Ton von der größten Erfindung seit dem Rad die Rede führen wollte.

Und übrigens nicht nur dort. Ich war selbst schon in Peru gewesen: Das Land der Inkas und Vicunjas ist tatsächlich verblüffend lang und schmal, ungefähr so wie Sylt geformt, und mit einer dementsprechend langen Küstenlinie ausgestattet worden von Mutter Natur.

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