Zum Inhalt springen

8.4.

8.4.

Hinter uns eine Schleppe aus Schnee. Auf dem Balkon saß schon der kleine Prinz, der seit dem letzten Wintereinbruch gewachsen war. In Ermangelung von Rosinen füllten wir ihm eine Schale mit Berberitzen, die er beinahe ebenso gerne zu sich nahm. Am nächsten Mittag ging ich zu Tegut, um ihm seine gewohnte Winternahrung zu kaufen (selbst kann er das ja leider nicht).

Tegut werde ich vermissen. Die schönen Papiertüten dort auch, deren Aufdruck von John Baldessari (too late) sein könnte — der Städelschüler, der die Motive in der Wirklichkeit zu verantworten hatte, sei hiermit gerühmt.

Das Treiben auf der Taunusstraße draußen eher nicht. Oder vielleicht nach einer Weile dann doch. Also jein. Bei all seiner Geschäftigkeit, auch im Siechen. Gestern schaute ich dort unvermittelt in ein Schaufenster eines kleinen, beinahe altertümlich wirkenden Sexshops, dessen Schaufensterscheibe seit nun wohl schon einem Jahr nicht mehr gesäubert worden war. Hinter dem Schleier aus Taunusstraßensinter und -Sediment war einzig eine gigantisch große Tube eines klarsichtigen Gleitgels ausgestellt. Bar und nackt und bloß dargeboten auf einer Lage leuchtend blauen Pannesamts. Ein Material, das ich verabscheue. Aber halt auch der Kontext, beziehungsweise die Tube, der Shop und die Zeit.

Ich hatte natürlich längst wieder angefangen, Zeitung zu lesen. Allerdings wird es, wie bei jeder Droge, nie wieder so gut wie beim ersten Mal. Es ist vergleichbar mit einer Rasur ohne Klinge (ein Vergleich, der nur in der Welt der Vergleiche existiert, aber dort gibt es ihn wirklich). Immerhin fand ich dort im Schaum heute einen wunderbaren Text von Bernd Eilert, in dem er sich an Früher erinnert. Also an die Zeit vor dem vergangenen Jahr. Er schreibt von Florida, vom Tennisspielen, von schwärmeweise Pelikanen, «die, in Formationen fliegend, ihre Schatten über den Boden gleiten lassen» — wunderschön.

Die Menschen, die jetzt irgendwoanders landen wollen, um dann dort mit Maske am Strand zu sitzen, aufs Meer schauen, weil sie sich schlecht erinnern können, tun mir leid. Solange der Reiseteil noch erscheint, besteht Grund zur Hoffnung (für mich).

Weiterlesen