23.2.
Frühlingshaftes Wetter, die Menschen machen frühlingshafte Sachen, bis auf die eine Person, natürlich, der ich am Nachmittag zuerst über den Weg gelaufen war:
Da stieg sie gerade die wenigen Treppenstufen herunter, die zu einem Spätkauf — die hier Wasserhäuschen genannt werden, sogar, wenn sie gar nicht in einem Häuschen untergebracht sind, aber das ist, wie so vieles eine Geschichte für sich — hinaufführten und sagte «So ein Scheißtag» vor sich hin. Die Maske (FFP2) hatte den von ihr hervorgebrachten Zischlauten zwar viel von ihrer Schärfe nehmen können aber dennoch drang ausreichend Bitterkeit hindurch bis an mein Ohr.
Wenig später, da schon am Tel-Aviv-Platz im schönsten Sonnenschein (18° Grad!), fiel mir leider noch ein Halbwüchsiger auf, der einen irritierend dichten Salafistenbart hatte und auf seinem blütenweißen Sweatshirt stand geschrieben «Can’t Feel Love».
Nach einem mehr oder weniger komplett in der Postmoderne verbrachten Leben sollte ich allmählich doch abgehärtet worden sein. Trotzdem fällt mir vieles noch unangenehm auf; scheint mir willkürlich, oder halt zu sehr durchdacht, jedenfalls nicht wie es sein sollte (unter Meinesgleichen): natürlich.
Pflanzen, Früchte und Blüten und Tiere, Vögel vor allem, interessieren mich seit längerem schon so sehr oder mehr, wie mich vor längerem noch Kleidungsstücke interessiert haben. Es kann sein, dass ich damals selbst noch wie ein Vogel sein wollte: für andere zu betrachten interessant. Wann hat das aufgehört?
Je näher Adam Curtis in den letzten Folgen jener Zeit kommt, in der wir gerade leben, desto weniger haben mich seine Schlussfolgerungen inspiriert. Alles noch interessant, aber nicht mehr in dem Maße auch unterhaltsam und geradezu beflügelnd, wie ich es beim Schauen der ersten vier Folgen empfunden hatte. Wahrscheinlich muss jede Zeit erst vom Lebenssaft entsättigt werden wie ein Präparat, um sich mikroskopisch lesen zu lassen.
Aber es gibt, kurz vor Schluss, einen Videoschnipsel, der mir unvergesslich geblieben ist: Da fährt eine Katze, die als Haifisch verkleidet ist, auf einem Staubsaugerroboter, der ein Entenküken umkreist. Der einzige Mensch ist selbst nicht mit im Bild, er hält wohl das Telefon mit der Videokamera.
Ich dachte an The Human League, 1979: «The last is a short wave radio message from the last man on Earth.»