03.12.
Mit einem Mal, weder schlagartig oder plötzlich, sondern: einfach so hielt ich die Türklinke an und für sich in der Hand. Als Dingi sozusagen. Losgelöst von ihrem großen, schweren Mutterschiff, der Tür.
Der gesamte Schließapparat hatte sich vor mir entblättert. Wahrscheinlich gilt hier Ermüdungsbruch, beziehungsweise: lag er vor. Die Befestigungen aus dem Material gerissen. Bei genauem Hinsehen war die Ursache, wie so oft in Ostberlin, Pfusch.
Das sogenannte Leben selbst erteilte mir nun eine Lehrstunde, was bei Martin Heidegger gemeint war mit dem Zuhandensein der Türe vermittels ihrer Klinke. Ohne diese an der rechten Stelle nämlich versah die Tür ja nach wie vor ihren Dienst als individuell regulierbarer Widerstand, den anderen, die Welt womöglich, außen vor zu halten, bloss war dieser Andere jetzt, mit besagtem einen Male, ich.
Da mir das Ganze vor dem Verlassen des Badezimmers zugefallen war, bot mir die Tür nun Widerstand zurück in den Rest meiner heimischen Welt zu gelangen. Sie, diese Welt, die mir bis vor kurzem noch zu eigen gewesen war, fand ich nun geschrumpft auf den einen Raum vor, den das Badezimmer mir bieten konnte.
Schon spürte ich dabei auch ein Wollen, fürchtete es beinahe. Als ob, durch das Unzuhandensein der Türe, nun auch die übrigen Teile meiner Wohnwelt sich gegen mich würden wenden können. Klüfte und Spalten im Mosaik der Fliesen unter meinen Füßen. Wie in Roald Dahls hochflorigem Kinderzimmerschlangenmusterteppich würde ich verschlungen.
Eine Sozialpädagogin in den Vereinigten Staaten tourt durch die Schulen und versucht bei den Jugendlichen mehr Respekt vor Haftstrafen zu erzeugen. Sie sagt „Wenn ihr herausfinden wollt, wie es ist, in einem Gefängnis zu leben, schließt euch einfach mal acht Stunden lang in eurem Badezimmer ein.