21.08.
Ich weiß gar nicht mehr, ob ich es an anderer Stelle schon klar genug ausgedrückt hatte, aber: Das 21. Jahrhundert fängt für mein Empfinden erst an mit dem Posting von Klaus Biesenbach auf Instagram, in dem seine vom blaustichigen Licht erfüllte Mundhöhle gezeigt wurde, dazu die Unterzeile «Full day at the dentist».
Heute früh, ich befand mich in dieser Situation, abermals on the receiving end, also in der wirksam gewordenen Wirklichkeit, fragte ich mich, ob ich dieses Hin- und Hergerissensein noch immer verspürte, weil ich noch immer nicht zu entscheiden wusste, ob ich eine Wurzelbehandlung nun als geil empfand, oder als fürchterlich.
Abermals hatte ich dafür gesorgt, dass es Frauen waren, die mich behandelten. Selbst oberhalb der Maskenkante, wo hijabhaft die Augen ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden, gibt es für mich einen Unterschied.
Ich bewundere die Zahnärzte für ihr räumliches Vorstellungsvermögen, dass ihnen ihr Arbeiten auf kleinstem Raum erst erlaubt. Als junger Mann schon fand ich dazu genommen einen Cartoon von Gary Larson recht sprechend, in dem ein Mensch auf der Zahnarztliege liegend dargestellt war, in dessen weit gespreiztem Mund schon diverseste Schlürfrohre und Schläuche verankert waren, im Zuge dessen er vom hereintretenden Zahnarzt gefragt wird: «Dürfte ich Ihnen vorübergehenderweise noch einen Tennisball hinein stopfen—würde einfach gerne sehen, ob das überhaupt geht?»
Daran musste ich heute auf jeden Fall denken. Der Gedanke unterhielt mich auch gut während der Prozedur. Betäubung und Desinfektion sind auf jeden Fall die Errungenschaften des 19. Jahrhunderts, die ich noch vor der Eisenbahn und der Elektrizität zu schätzen weiß.
Danach bei der Schneiderin. Mit der zweiten Anprobe haben wir einen Durchbruch erzielt. Die Jacke von Umberto Ginocchietti sitzt jetzt wie von ihm selbst noch angemessen. Den Hinweis darauf, dass es diesen Modeschöpfer überhaupt gab, verdanke ich Horst Bienek, der ihn kurz vor seinem Gang in die Einsamkeit für sich entdeckt hatte.
So hat halt alles sein Gutes. Sogar mehr als tausend Seiten Gewäsch, immerhin.