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30.09.

30.9.

Kürzlich schrieb mir jemand, sie hätte sich bis vor kurzem überhaupt gar nicht für Vögel interessiert, in ihren Ohren machten die bloß Lärm, Gezwitscher, aber seitdem sie Mitte vierzig ist, wollte sie von jedem Zwitscher gleich den korrekten Namen seines Verursachers kennen: «Kind of creepy how bird watching was making its way towards me».

Andernabends, auf dem Weg zu dem Konzert sprach ich mit Sebastian über das Älterwerden, das Ältergewordensein, das Alter somit insgesamt. Und als wir vor dem Lokal City Chicken unser Abendbrot einnahmen spuckte eines der Roma-Kinder einen Schluck aus seinem Latte-Macchiato-Fläschchen, das aus Plastik war und geformt wie eine Tränenvase, vor mich hin, während sein Freund versuchte, mir ein Hakenkreuz auf die Rückseite des alten Mod-Parkas zu kritzeln.

Dies indes verbat ich mir expressis verbis.

Vielleicht war es am Ende ja doch keine allzu gute Idee von mir, den Star aus meinen Jugendzeiten noch einmal aufzusuchen.

Eine Frau, die hinter uns beiden stand — sie schaute aus wie Hanni van Heiden bei Mme Tussaud — bat uns, dass wir uns weniger unterhalten: «Zumindest bei diesem Lied, es bedeutet mir viel».

All die Jahre hatte ich Jochen immer wieder einmal gesehen — auf der Straße, auf dem Fahrrad, beim Café…

Im Bühnenlicht, purpur, vor Säulen aus kühlen Farben, kam er mir manchmal alt vor, vom Bühnenlicht modelliert aus dem Material der Zeit, des Vergehens selbst: älter, uralt — jeweils blitzhaft, wie eine Reflexion.

Ein Drink dort hörte auf den Namen «Skinny Bitch», wir tranken Bier, die anderen Wein (auf Eis).

Der Heimweg, Betretenheit, wahrscheinlich war es das, oder?

Im «Magendoktor» saß eine Nixe auf ihrem Hocker wie auf ihrem Felsen und flüsterte dem Automaten aus dem Hause Merkur begütigend zu. Ihr Drink: Weißwein auf Eis mit Apfelsaft aufgegossen — Würde man so alt werden wollen?

Anderntags ging ich meiner Wege und auf der Kollwitzstraße, wo seit dem «Lockdown» der Kinderzahnarzt und Kinderkieferorthopäde mit seiner Praxis auf insgesamt vier Etagen eines Gründerzeithauses residiert (die Räume selbst ausgestattet von Graft Architects), lief mir ein halbwüchsiger Junge entgegen, der, um seiner Schwester eine zu schmieren, bloß Schwung holen wollte, und prallte letztendlich mit seiner vollen Wucht gegen mich.

Wortlos lief er davon, zu seiner Mutter, die so ausschaute, wie die Mütter in diesem Viertel halt ausschauen. Aber ich fragte sie: «Was ist mit ihm, kann er sich nicht entschuldigen?»

Daraufhin sie zu mir, ich eine verfallende Option: «Er hat sich doch erschrocken! Er ist ein Kind!!!»

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