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10.6.

10.6.

Auf dem Trottoir war Joghurt verschüttet worden, ein Spatz hatte sich der hellen Lache angenähert, hüpfend, keck, um davon zu schnabulieren. Am selben Morgen an einem anderen Ort war sein Kollege, vielleicht sogar war er es selbst gewesen, über meiner Brezel eingeschwebt und war dann darüber in der Luft verharrt, schwirrend wie ein Kolibri, den ich nur weg wedeln konnte wie ein Insekt.

Und davor, anderntags war ich aus dem Park eine schattige Straße entlang oder «hinauf» gegangen, da hörte ich auf: ein zartes Quengeln — Miau, Miau — wie von einem Kind. Gar nicht einmal so klein?

Mir war es dann so vorgekommen, als ob die Katze, die mich rief, in einem der zum Parken abgestellten Autos eingesperrt sein könnte. Durch die getönten Fensterscheiben konnte ich jedoch den Innenraum kaum erkennen. Schon schaute die Kellnerin des benachbarten Restaurants über die Hecke zum Gastgarten. Auch sie hatte den Ruf der Katzenstimme vernommen.

So, in einer Ketten- oder Schneeballreaktion in der beschriebenen Weise, entwickelte sich dann eine Handlung, die mich über die anschließenden anderthalb Stunden verwickeln würde in einen Zirkel der Katzenliebhaberinnen und auch eines Liebhabers, der dort vor dem Haus auf der Treppe saß um eine seiner Zigaretten zu rauchen. Auch ein Teenagermädchen lernte ich kennen, etliche Anrufbeantworterstimmen von Tierarztpraxen und Tierrettungsdiensten in Brandenburg, sowie eine Frau, die mit einer mit Katzengesichtern bedruckten Umhängetasche und mit Schnurrhaaren verzierten FFP2-Maske in unserem Szenenbild erschienen war.

Die Katze selbst indes, blieb die ganze Zeit über im Schatten des Autounteren hocken. Miauend, nach wie vor. In ihrem Namen hatten wir uns dort versammelt. Und sprachen später noch lange über diese Begebenheit. Da freilich schon längst wieder daheim und eine jede, ein jeder für sich.

Bloß Tiere haben diese stille Gabe, mich nach ihren eigenen Regeln jederzeit und unvermittelt hinein zu führen in ihr Nebenzimmer des von uns kontrollierten Raumes, Backstage, aus unserer Perspektive, wo ich zwar nicht machtlos werde, aber mich (wieder?) als ein Geschöpf unter anderen, als Mitgeschöpf empfinden kann.

Es gibt kein Schloss, sie sind der Schlüssel.

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