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12.2.

12.2.

Die schöne Fischsuppe war kaum angerührt worden. Im dritten Jahr einer Pandemie gerät ja leicht in Vergessenheit, dass es noch andere gesetzesähnliche Vorschriften gibt, die es einzuhalten gälte, außer jenen, die der Gesundheitsminister zur «Aha-Regel» (später Aha+) gefasst hat. Mit uns hatten Juden am Tisch gesessen und die, das lernten wir durch ihr nicht anrühren wollen der Fischsuppe, sollten Freitags keine Schalentiere essen. Auch kein Schalenwild übrigens, aber davon wiederum hatte sich auch kein Fitzelchen im Suppentopf befunden. Schalentiere hingegen schon (beziehungsweise sehr wohl).

Dem nächtlichen Imbiss vorangegangen war ein Hauskonzert des Komponisten Matan Porat, der sogar dann noch komponiert, wenn er die Kompositionen anderer Komponisten spielt (er selbst nannte es «kuratieren»; ein in jeder Hinsicht freundlicher Mensch).

Seitdem ich im letzten Jahr, vielleicht war es auch in dem Jahr zuvor, diese beiden Zusammenstellungen zur Musik aus den Salons, in denen Marcel Proust verkehrte, zu hören bekam, verstehe ich erst die Bedeutung von Musik als Kulisse, vor der sich eine literarische Epoche begreifen lässt.

Gestern war mir in manchen Passagen so, als könnte dieser Raum genau so, mit diesen Menschen um mich herum, zu einer ganz anderen Zeit in genau dieser Form, in diesen Klängen gebadet, bestehen.

Neben dem Pedalhaus, mit dessen Hebeln er übrigens in einem Stück dem Flügel ein paar bizarre, elektronisch tönende Klänge entlocken konnte, lag still und mit blauer Leuchtdiode blinkend, ein schwarzes Gerät, das ich zunächst für einen Rekorder gehalten hatte. Ab und an wurde es von Herrn Porats Schuhspitze angetippt. Wie ich später, als die Suppe serviert wurde, herausfand, handelte es sich dabei um einen Umschalter, der dem iPad befahl, die Partitur voran zu blättern.

Zu Prousts Lebzeichen war das noch die Aufgabe für eine minderjährige Tochter des Hauses gewesen.

Heute durchgehend guter Grund für Frühlingserwarten.

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