20.11.
In Rostock selbst dann eine Leere, derart spezifisch und dennoch kann ich mich auch nach der xsten oder zigsten Kleinstadt in Ostdeutschland noch immer nicht an deren Eigenheiten gewöhnen. Roland Barthes könnte an dieser Leere, der Leblosigkeit in den sterilen Gassen und Passagen, womöglich noch etwas strukturell Poetisches empfinden wie einst im Angesicht der Leere im Zentrum von Kyoto. Ausgestorben sind sie ja nicht. Die Einwohnerzahlen sind da. Aber sie lassen sich nicht blicken. Den Gedanken an Hinterhältigkeit werde ich wohl nicht los.
Abermals sind es zudem meine Vorstellungen, die ich vor Ort enttäuscht finde. Einmal hat mir ein Sohn der Bankfrau erzählt, dass seine Eltern in meiner Abwesenheit sich darüber lustig machen, dass ich „immer so große Träume“ hätte. Das stimmt absolut.
Die Geister, die Walter Kempowski noch beschwören konnte, sind aus Rostock jetzt erfolgreich vertrieben. Als eine Straßenbahn neben mir hält auf menschenleerer Straße, zeigt ihre Zieltafel leuchtend die Buchstabenfolge Lichtenhagen an. Sagt mir freilich noch was.
Im Zug heimwärts unterhalten sich zwei Männer über ein tschechisches Modell einer Katzentoilette, deren Hersteller wohl Tesla heisst. Dieser Umstand allein erscheint beiden nun beinahe interessanter zu sein, als das Wesen ihrer Tiere, über die sie Reden wie Teile der Möblierung ihrer Wohnungen.
Die Katzentoilette, mit diesem Feature versucht der eine den anderen zu einer Kaufentscheidung zu bewegen, wiegt die Katze vor und nach dem Verlassen des automatisierten Häuschens. Je nach dem, wie hoch der Gewichtsverlust ausfällt, bemisst sie den daraufhin selbsttätig durchgeführten Reinigungsvorgang des Katzenstreugranulates. Mithilfe dieses Katzenklos von Tesla sei es ihm mittlerweile möglich, die Betriebskosten für die Katze um einen erheblichen Teil abzusenken. Um wieviel genau, habe ich nicht mitbekommen, da eine Fahrkartenkontrolle meine Aufmerksamkeit absorbierte.
Fahrkartenkontrolle, wie immer in Brandenburg — oder war es noch Mecklenburg-Vorpommern? — mit den Augen; die können dort QR-Codes ohne Hilfsmittel lesen. Insgesamr also eine Reise, auf der mir die Assymetrie des Fortschritts auf vielfältige Weise nähergebracht wurde.