20.07.
In den von roten Markisen verhängten Innenräumen dämmern die Leute hier selbst wie kostbare Bücher oder Gemälde, die vom Sonnenlicht zerstört würden. Italien hängt noch stärker in seiner Vergangenheit fest als Frankreich, beispielsweise. Manchmal, vor allem beim Essen, schwebt die Vergangenheit wie ein Schleier über allem; wie diese Gaze aus Kunststoffgewebe, die mit dem Bild eines Palazzos bedruckt die Bauarbeiten an einer Fassade verhängt. Dahinter ein bröckelnder Schatten.
Im Sommer ’81 reist HB seinem spanischen Lover hinterher nach Ibiza. Und wie sich die Erzählung aus den Lüften herab senkt, dämmert ihm, dass er, womöglich seit Monaten schon, erkrankt ist. Doch er kann die Symptome noch nicht deuten. Das beunruhigt ihn.
Hier wenden sich die Tagebuchaufzeichnungen ins Tragische, denn der Leser ahnt nicht nur, er weiß, dass der Autor sich mit dem damals noch unbekannten HI Virus infiziert hat. Die Erzählungen Bieneks, mit denen er beständig seine Virilität illustrieren will, erscheinen jetzt, da er sich fragt, was er sich wohl eingefangen haben könnte, in einem neuen Licht: Der Abstecher nach Hamburg, von Hannover aus, um in den Badehäusern der Hafenstadt «jagen zu gehen»; der Jubel über die neuartige Cäsarensauna in seiner Heimatstadt München, wo er «amerikanische Verhältnisse» begrüssen will im Angesicht der vielen «Blackys». Die Orgien in Manhatten. Bienek ist ja als viel gefragter Kulturschaffender andauernd unterwegs und sein Stress Relief schaut überall auf der Welt gleich aus.
Auch auf Ibiza, im Sommer ’81, taucht er trotz permanenten Unwohlseins tief ab in die Cruisingszene. Er experimentiert mit Alkoholverzicht, bringt es aber lediglich fertig, seine Dosis von zwei Flaschen Sekt ab Vormittag auf eine Flasche trockenen Weißen am Abend herunterzupegeln.
Das Buch ist noch recht umfangreich für den Abgesang eines Todkranken. Bei Derek Jarman wurde es da ja erst interessant. Ich bin gespannt, wie Bienek sich schlagen wird.