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16.10.

16.10.

Seitdem ich zum ersten Mal das Wort Bebra gelesen hatte, also circa seit dem Jahr 1987, in dem eine Geschichte über den angeblichen Bebraismus in der Zeitschrift Tempo erschienen war, wollte ich nach Bebra. Also ungefähr schon immer. Aber als ich dann gestern um die Mittagszeit herum in Bebra eintraf, fand ich dort freilich alles in ganz anderer Form vor, als ich es mir vorgestellt hatte.

Gut möglich, dass in der Folge des Mauerfalls auch in Bebra wertvolle Zeitzeugnisse vom Fugenkitt der Ortskernsanierung verschmiert worden sind. Von einem Bebraismus, wie ich ihn mir aufgrund des Artikels ausgemalt hatte, war jedenfalls nichts mehr zu erkennen.

Hinter der Theke der Touristeninformation saß eine Bedienstete, deren Jumbotasse bis oben hin mit einem mager angerührten Heißgetränk der Geschmacksrichtung Cappuccino vollgelaufen war. In einem anderen Becher hortete sie Stifte. Es gab zwei Postkartenmotive. In beiden spielte ein unappetitlich aufgeblähtes Rufzeichen die zentrale Rolle, wohingegen das Arrangement der von diesem Zeichen in den Hintergrund gedrängten Fotoschnipsel recht eigentlich und von daher selbstbewusst auf ein Gewürfeltsein abstellte. Die Frage nach einem Briefkasten konnte die Bedienstete nicht beantworten. Aus nachvollziehbarem Grunde erheiterte sie dieses Nichtwissen. Mit einer übertrieben fahrigen Bewegung schleuderte sie ihren Unterarm, der sich im Hochsommer, wenn man im überfüllten Schienenersatzverkehr auf dem Scheitel einer Kurve an sie gepresst wurde, bestimmt kühl anfühlte, hinter sich, wo das einzige Fenster im Raum, das Aussicht auf Bebra ermöglichte, von einem chinesischen Papierrolo verhängt war, der mit dem roten Rufzeichen bedruckt war: „Auf der andern Seite. In der Stadt!“

Die andere Seite, damit war das Reich hinter den Gleisen gemeint. Bebra war ja, zumindest stand die ständige Ausstellung, deren Eintrittskarten die Bedienstete „auch noch“ verkaufen musste, unter diesem Motto: Eisenbahnstatt seit dem Kaiserreich.

Zum Besuch der Ausstellung fehlte mir die Zeit, auch die Stadt selbst ließ ich links liegen (oder war es rechts?) Der Postkartenkauf, die Litanei der Bediensteten im menschenleeren Kaff, hatten mich schon zuviel meiner Zeit gekostet. Ohne Mühe erreichte ich den zur Weiterfahrt bereitgestellten Regionalexpress der Kasselaner Dienstleistungsgesellschaft Cantus.

Die Karte warf ich während meines Aufenthaltes in Eisenach ein. Immerhin Geburtsort von Johann Sebastian Bach!

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