14.11.
Das Ganze ist nun schon viele Tage her, flere dage, und im Grunde hätte ich es ja besser müssen; eine jener Begebenheiten in meinem Leben, die ich, noch während sie sich zuzutragen schien, als eine solche hätte identifizieren können, die sich nicht leicht würde in einer Geschichte fassen lassen. Zeit würde darüber vergehen müssen.
Am Sonntag also ging es hinauf nach Polen. Wie zufällig hatte ich in einer U-Bahn die dort auf die Fensterscheibe geklebte Werbung gesehen für eine Busreise nach Hohenwutzen. Zuvor hatte ich einige Jahre schon nicht mehr an den Polenmarkt gedacht.
Mehrfach am Tag, selbst Sonntags verkehrt die Buslinie aus einem nebligen Randbezirk von Berlin, dessen Straßenbahnhaltestelle sogar Stadtgrenze heisst. Die Passagiere bleiben ganz still in den Sitzen sitzen. Draußen gibt es anderthalb Stunden lang nichts zu sehen.
Die Fahrt endet vor der Ruine einer Industriearchitektur. Schwer zu sagen, was hier einmal hergestellt worden sein könnte. Grußlos schwärmen die einander fremd gebliebenen Passagiere in die Gassen zwischen den Gehöften aus. Andauernd überprüfe ich meine Überjacke nach Regentropfen. Es gibt nie welche. Aber so schaut es hier aus.
Die Fahrt zum Polenmarkt ist keine Butterfahrt, es geht um Feuerwerk, das um diese Zeit in Deutschland noch gar nicht verkauft werden darf und vor allem halt um Zigaretten.
Mein ursprünglicher Missmut auf das dröge Sortiment der polnischen Kaufleute klarte dann bald auf und wurde gleichsam gewandelt in eine Ehrfurcht vor dem Geschäftssinn dieser Menschen. Sie hatten ja lediglich im Angebot, wonach es dieses deutschen Elendsgestalten verlangte. Das Essen war deshalb so schlecht und ungewürzt und auf erschütternde Weise auch unpolnisch, weil die Nikotinjunkies hier für drei Stunden angemalt waren und in dieser Zeit nehmen mussten, was man ihnen auftischte. Auf dem Polenmarkt wurde ein Deutscher auf eine schonungslose Weise mit seinem Status Quo konfrontiert. Auch die, und das waren die meisten, die mit ihren ausladenden Sports Utility Vevicles aus Brandenburg oder Anhaltinischen Gefilden auf den Polenmarkt gebrummt waren, fanden dort ja überdeutlich, was man von ihnen hielt. Ein Angebot, zugeschnitten auf ihre Bedürfnisse. Feuerwerk, Klo-Humor, Nährmittel und Jeans mit hohem Stretchanteil. Was mich beinahe zu Tränen rührte war der selbstgewisse Ton, mit dem die Kundschaft hier verbal auf die Verkaufenden herabschaute. Gönnerhaft und geradezu arrogant inspizierte ein elender Trupp ein Armutszeugnis. Wie es mir schien, ohne zu bemerken, dass es das eigene war.