11.02.
Maniküre lasse ich ungern machen im Gegensatz zur Pediküre, weil man dabei nicht schreiben kann oder lesen. Man sitzt halt da. gebunden an die helfende Hand, wie der Trinker mit seinem Glas. Irgendwo, auf jeden Fall aber nicht im Gewicht der Welt hat Handke geschrieben, dass er sich darin übe beim Fingernägelschneiden so edel auszusehen wie eine Figur aus dem Mittelalter. Selbst für die Bereitschaft zur Hingabe braucht es noch eine Gabe.
Wiebke Hüster gestern im Feuilleton «Manchmal ist es wirklich Wahnsinn, wie altmodisch Deutschland ist.» Ihr ging es dabei um die Causa Lilienthal, bzw Holzinger, sprach damit aber auch mir, der ganz woanders war, aus dem Herzen. Denn hierzulande vermisse ich weniger das Ostinato der Frösche bei Nacht, das Schreien der Pfauen, die heulenden Hunde von Chiang Mai. Ich vermisse die Dynamik der südostasiatischen Kultur.
Den Hinweis verdanke ich Friederike. Dass dem, was ich in Bangkok vor allem, aber auch in Saigon, als eine andere, eine südostasiatische Moderne beobachtet habe, vor allem eine andere Dynamik innewohnen dürfte.
Eine, wie ich es von dort aus in Ansätzen schon zu beschreiben versucht hatte: Dynamik der Gleichzeitigkeit. Ungefähr nach dem Theorem, das Chris Dercon in der verfemten Ausgabe von 032c am Anfang unseres Jahrhunderts formuliert hatte: We Are Synchro Time.
Eine Dynamik also aus dem Uralten und dem Brandneuen amalgamiert wie der Bimetallstreifen in einem Thermostat. Keine Erstarrung in der Form. Kein Rosten. Beweglichkeit. Elastizität.
Kommt meiner Liebe zu Schäumen, zur Nachgiebigkeit, zur Sponginess natürlich auf extreme Weise, nun: entgegen. Und dem Augenmenschen, der ich ja ebenso bin, sowieso.