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28.12.

28.12.

In meinen späten Kindertagen las ich gern in einem Buch, dessen Handlung in einem anderen Land, in einem Haus am Meer erzählt wurde. Zwei Jungen lebten dort mit ihren Eltern, die ich als Leser so gut wie nie zu Gesicht bekam. Der Vater war ein Ärchäologe. Seine Ausgrabung war der Grund, weshalb die Familie überhaupt dorthin ans Meer gezogen war.

Mir hat an dieser Lektüre vor allem gefallen, dass die Söhne sich selbst überlassen leben konnten. Mit dem Haus als Stiftung. Eigenverantwortlich, doch beschützt von den Erwachsenen, die sich im Hintergrund halten wollten. Was ich als sehr angenehm empfand. Auch weil mein eigenes Leben zu jener Zeit genau andersherum geordnet war.

Der Höhepunkt des Textes, als seine zentrale Szene empfand die Begebenheit, da der jüngere von beiden eine Meeresschildkröte findet, die am Strand angespült worden war. Im Morgengrauen. Wie Goethe verspürt er den natürlichen Drang, das Tier zu sezieren. Interessant dabei vor allem die Frage, wie die aus dem Schildkrötenpanzer herausragenden Gliedmaßen, es sind fünf mit dem Hals, im Innenraum miteinander verbunden sind.

Die Zerlegung bringt das an den Tag. Doch reicht dieser auf der Terrasse des Elternhauses durchgeführte Vorgang und das Ergebnis alleine nicht zur zentralen Szene eines Buches. Es gehört dazu noch der ältere Bruder, der im schattigen Inneren des Hauses auf dem Sofa lagert, um sich von seiner Amöbenruhr zu erholen. Geschwächt wie er beschrieben wird, ist mir vor allem seine wiederholt hervorgestossene Beschwerde über den «pestillenzartigen Gestank» aus den Eingeweiden der Schildkröte in Erinnerung geblieben.

Es war für mich auch diesbezüglich interessant zu erfahren, dass es sich bei der mysteriösen Erkrankung, an der ich in den vergangenen vier Wochen wahrlich gelitten habe, um eben diese in dem Buch erwähnte Amöbenruhr gehandelt hatte. Mittlerweile in unseren Breiten recht rar geworden, das gebe ich zu. Dennoch mit traditionellen Labortests durchaus feststellbar.

Dass man hier im Osten aber vor allem auf Ärzte trifft, die mit dem reinen Mittel der Inaugenscheinnahme ihre Diagnostik voranbringen, wundert mich nicht. Ich habe bei meinen Fahrten durch Brandenburg auch reihenweise Busfahrer kennengelernt, die einen QR-Code mittlerweile mit dem Blick scannen können, da ihnen die zum Einlesen erforderlichen Geräte nicht zur Verfügung gestellt wurden.

Abermals einfach bloß happy, noch (oder wieder?) am Leben zu sein.

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