09.04.
Manchmal ergreift mich das wilde Bedürfnis, mir sämtliche Bücher aus Kindertagen noch einmal zu kaufen, um darin vielleicht eine Antwort zu finden: wer ich bin.
Am Denkmal für die ermordeten Sinti unf Roma, von dem ich bislang nicht einmal wusste, wo es sich befindet, sollte gestern, am Roma Day, die große Roma-Parade beginnen. Als ich dort eintraf, auf der Mitte einer kurzen Allee, die vom Brandenburger Tor aus hinüber zum Reichstag führt, hatte sich lediglich ein Schärflein um einen bunt bemalten Lastwagen versammelt, aus dessen Ladefläche eine kleine Bühne ragte wie diese Schreibplatten aus einem Sekretär.
Von der Romaflagge, die es ja auch noch immer nicht bei den Emojis gibt, waren zwei Exemplare vorhanden. In das eine hatte sich ein kleiner Junge eingewickelt wie in ein Cape. Das andere war an einer ausziehbaren UKW-Antenne befestigt und wurde im sommerlich warmen Frühlingswind umher geschwenkt.
Zwei ältere Damen waren in ihren Warnwesten mit Rückenaufdruck erschienen. Traumverloren wie Audrey Horne tanzten sie zur Musik des Trios auf der Ladefläche. Ihr Tanzen wirkte auf mich eindrucksvoller als der Westenspruch «Omas gegen Rechts».
Katinka, Tochter des Akkordeonspielers ging nach einem Instrumental ans Mikrofon, um Djelem, Djelem zu singen. Hymne der Fahrenden. Mich berührt sie jedes Mal, gleich von wem angestimmt. Seit so vielen Jahren, so vielen Fahrten. Ich weiß noch immer nicht genau, woran das liegt.
Apropos Ricardo Villalobos war nicht gekommen. Auch sonst keine Prominenz. Das hat man ja selten, mittlerweile, dass eine Gruppe überhaupt keine Fürsprecher mehr findet in unserem Land.