05.06.
In jener Woche bevor mein Vater starb, als es noch sonnig war aber auch damals schon mit viel Wind, ging ich am Ufer des Karpfenteichs entlang, als ich kurz vor dem Knick ein mir vertrautes Quieken und Zwitschern aus vielen kleinen Kehlen vernahm.
Tatsächlich wohnte dort, ich kann es nicht anders sagen, in einem Loch im Stamm einer Weide, die im vergangenen Herbst vom Sturm gespalten worden war, ein Schärflein junger Meisen. Die Eltern waren ausgeflogen, die Kleinen beherrschten diese Kunstfertigkeit noch nicht, und bald erkannte ich jetzt auch den Buntspecht, Dendrocopos major, der mit seiner dunklen Schnabelröhre und der heiter roten Kappe angetan sich daran machen wollte, die kaum beflaumten Schlingel aus ihrem weichen Loch zu zerren. Eins nach dem anderen.
Dem schauderhaften Schauspiel war ich ein paar Jahre zuvor schon einmal zeugenhaft gemacht worden. Damals noch im Frankfurt, im Stadtwald hinter Sachsenhausen; wir hatten Waldmeister sammeln wollen.
Die Eltern, es waren Blaumeisen gewesen, waren da noch wie Wespen wild um den ihren Nachwuchs wegpflückenden Grünspecht, Picus major, umher geflattert und dabei versucht, ihn, den vier-, nein fünfmal massigeren Vogel mit den winzigen Schnäbeln zu attackieren.
Doch half es alles nichts. Eins nach dem anderen, in stiller Überlegenheit holte der große Grüne mit seinem schwarzen Schuh die zarten Meisenküken aus ihrer Rindenstube. Wie Popel.
Und damit, mit diesem Vorwissen, dazu geprägt davon, wandte ich mich an jenem Vormittag auch ab von der Szene am Ufer des Karpfenteichs. Ich griff nicht ein. Hielt die Apparatur des Lebens nicht auf.
Weil auch der Tod sich ja ernähren muss.