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01.09.

01.09.

Frühstück auf Rügen, im Hotel, das genau so heißt, wie die Insel selbst (Rügen).

Es ist schon auffällig, wie sich bei den Ostdeutschen die Leute um die vierzig mit Tättowierungen und Körperschmuck, auch mit Frisuren, Bärten und den für sie speziell hergestellten Moden zu Ostdeutschen stilisieren. Es hat immer einen Hautgout des Outlaws; das Verquere, nicht nur im Denken, vor allem im Look, dient gar nicht dazu, das Individuelle herauszuarbeiten, sondern vor allem, dass man sich gegenseitig sofort erkennt. Mit anders Gekleideten redet man ungern, am besten nicht. Mode als Dialekt.

Dieser Ossi-Look ist weder Dandy noch eine Spielart von Punk. Die Kleidung wird von der Stange gekauft, bei Camp David, Yakuza und diversen Wandermodemarken. Man gibt sich, und ist es vermutlich, outdoorsy, körperlich, kampfbereit.

Interessant ist der Hang zur Individualisierung ab Werk: Die Stücke sind herstellerseitig schon vielfach mit Schriftzügen und Emblemen verziert. Das eigenhändige Beschriften oder Abändern der Mode, wie unter Punks usus, gibt es im Ossi-Pop nicht. Ob das an einer erlernten Abneigung gegen das Selbermachen geht, die aus dem Trauma der extremen DIY-Kultur der DDR stammt, kann ich bislang nur vermuten, werde aber hierzu einst noch genaueres schreiben.

Von meinem Fensterplatz im Sonnenschein aus, die (mitgebrachte) Zeitung lesend, nahm ich über die Morgenstunde auch hin und wieder das Geschehen in diesem Frühstücksraum in den Blick. Wie sie dort, Tacitus hätte es mit «schmausend» beschrieben, Gang um Gang das Büffet vernichteten. Gestocktes Ei und Aufschnitt vertilgend.

Der viril gekleidete Stamm aus tättowierten Mittvierzigern, mit Ringen und Stöpseln in Augenbrauen und Ohrläppchen, bis in die Mimikfalten hinein geschmückt und verziert, schien mir, aus der kindlichen Unmündigkeit des verlorenen Staates kommend, in einer gesellschaftlichen Pubertät angelangt. Auf gar keinen Fall aber wollten sie den in sie gesetzten Erwartungen entsprechen.

Besser im Stehen sterben, als im Knien zu leben, wie es auf der Flagge eines Dachdeckerbetriebes in Brandenburg heißt.

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