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8.7.

8.7.

Eines dieser Nachmittage lächelte mir eine Frau zu, die auf einem Fahrrad auf der gegenübergelegenen Seite der Straße an mir vorübergefahren war.

Wie im Film nahm ich ihr Lächeln unter der Zeitlupe wahr. Wie unter der Zeitlupe nahm ich viele Details dieser Szene wahr, viel mehr jedenfalls als mit der gewöhnlichen Geschwindigkeit abgetastet.

Ich erkannte, dass sie ein Telefon in der Hand hielt, den Lenker führte sie einhändig, mit der anderen.

Also war ihr Lächeln eines aus Verlegenheit. Weil sie sich von mir beobachtet gefühlt hatte. Geradezu ertappt.

Ein Lächeln mit der Bitte um Komplizenschaft, Kavaliersdelikte im Straßenverkehr.

Bei der Fahrt über den Harz war uns noch etwas aufgefallen: Es geht immer enger zu auf der Welt. Gerade auch da, wo es Weite gibt, so weit dein Auge reicht.

Schon in der nächsten Ortschaft, im allerabgelegensten Straßendorf geht es drangvoll zu.

Asphaltschiffe, die sich nachts begegnen, tags Roman.

Die Autos werden doch immer voluminöser oder kommt das bloß mir so vor?

Straßen als endlos expandierende Gefäße: Anderntags, als ich früh morgens ins Freibad kam, war ich dort tatsächlich der Erste. Zum ersten Mal.

Eine unbeschreibliche Lust, in das glatte, blaue, nur an den Rändern sacht vom Morgenwind gekräuselte Wasser zu schneiden. Nach anderthalb Bahnen kamen die anderen.

Jeder schwimmt anders und ein jeder ist allen anderen im Weg. Extreme Gefühle, auch Hass, alle durch Rücksichtslosigkeit provoziert.

Wie oft, wie beinahe immer im Leben finde ich mich auf der Seite der Frauen wieder, wo es, im Schwimmbad, das Rücksichtslose nicht gibt. Frauen tragen auch in den seltensten Fällen Chlorschutzbrillen. Frauen kraulen nicht.

Den Rücksichtslosesten von allen nenne ich bei mir Das Riesenbaby, weil er so ausschaut und sich so benimmt. Sein Gesicht habe ich noch nie gesehen, er trägt eine Schutzbrille mit schwarzen Gläsern und Handschuhe aus Neopren. Für seine weit ausgreifende Technik braucht er zwei Bahnen von den vier, die dort allen zur Verfügung stehen. Wer ihm nicht rechtzeitig ausweicht, dem klatscht er mit seinen Handschuhen auf den Rücken im Vorüberziehen. Er prustet und stöhnt, er ist recht übergewichtig. Er schwimmt den ganzen Vormittag lang. Ich lediglich 26 Minuten und 24 Sekunden.

Bald sind nur noch Männer im
Becken. Das Riesenbaby spotzt und prustet, er stöhnt wie sein Vater. Die Bahn ist sein Geburtskanal.

Hätte ich einen Campingbus, ich schriebe Van Beethoven drauf.

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