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30.3.

30.3.

Wenn man Musik kaufen ging, musste man vorher ungefähr wissen, welche man haben wollte. Ungefähr wie bei Hosen oder Schuhen. Aus dem Strom des Produzierten münzten die Lieder und Tracks in Form von Singles, Maxis und Alben aus.

Klar, manche ließen sich vom Angebot inspirieren. Oder vom Plattenhändler. Vom Typ her kaum unterschiedlich vom Antiquar. Gatekeeper des Herrschaftswissens.

Ich erinnere mich an einen Vormittag im East Village, an dem der Plattenhändler von seinem Sitz hinter einem Tresen aus — die Tresen übrigens häufig leicht erhöht, damit von dort aus der Raum voll der in Plattenkisten blätternden Gemeinde überblickt werden konnte — mir einen langen Vortrag in Sprache und Ton ein Album von McCoy Tyner betreffend gehalten hatte. Fly With The Wind habe ich schließlich mitgenommen. In einer Nebenstraße ließ ich mich rasieren in einem Salon, der von Greisen betrieben wurde, die in fliederfarbenen Mänteln die Rasierseife in Barbierschüsseln aufschlugen, bis auch der nach Fliederblüten duftende Schaum beinahe fliederfarben getönt war.

Das East Village und das Manhattan der frühen neunziger Jahre ist verschwunden. Es gibt es nicht mehr. Auf dem Cover des Albums waren Wolken abgebildet. Sie sind auch noch immer auf der stark verkleinerten Bilddatei zu sehen, die zu den Streams gezeigt wird, wenn ich diese Musik heute noch höre. Als Teil einer Playlist oder eigens angewählt.

Am rechten Rand, wie von ungelenker Hand abgeschnitten, sind noch Fetzen von einem Schriftzug zu sehen, den das Cover im Original nicht hatte. Ich kann mich noch erinnern. Ich besitze es längst nicht mehr.

Man spart keine Zeit mit dem Streaming. Es ist leicht geworden, sich zu verlieren.

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