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27.5.

27.5.

In der Dämmerung sah ich meinen ersten Waschbären. Zunächst hielt ich ihn für eine Katze. Dann fiel mir der im Verhältnis deutlich kleinere Kopf auf. Der Schwanz ist länger, die Ohren sind es auch. Dass der Schwanz geringelt war, konnte ich erst dann erkennen.

Das Tier drückte sich an einer Bushaltestelle herum. Vermutlich des Mülleimers wegen, beziehungsweise dessen Inhalts. Tiere sind uns da uns gegenüber klar im Vorteil, denn sie müssen die dämlichen Sprüche, mit denen die Stadtreinigung die Müllbehälter verunziert nicht verinnerlichen. Müssten wir so gesehen zwar auch nicht, aber wer kann das schon. Der Mensch: ein Tier, das alles lesen muss, was da steht. Ein Allesleser, Omnivor.

Der Waschbär schaute mich an. Mittlerweile hatte er sich hinter den Zaun verzogen, der einen Kindergarten umgibt. Schaute von den Stufen herüber zu mir aus seinem kleinen Gesicht. Verharrend.

Also wohnt er dort. Tagsüber pennt er im Gebüsch, nach dem Feierabend für die Kleinen und ihre Erzieher gehört die Villa samt ihrem parkähnlichen Grundstück dann ihm — samt ihren Abfalleimern auch. Küchen gibt es ja längst nicht mehr, die Jeunesse dorée bekommt ihre Kost auf Rädern. Familie Waschbär ernährt sich von Wachsmalstiftstummeln, Bananenschalen und halbleer gequetschten Apfelmustüten.

Tiere sind per se obdachlos. Keine Künstler.

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