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27.11.

27.11.

In der Austernbar hatte das Paar am Nebentisch seinen Hund mitgebracht. Es war einer dieser Meme-Hunde, ein japanischer Akita, den ich jetzt zum ersten Mal in der Wirklichkeit betrachten durfte. Ausgiebig und nah.

Diese Hunde sind in Wirklichkeit verblüffend groß. Gut, ich hatte sie bislang wie gesagt nur am Bildschirm betrachtet, aber dieser dort, auf dem gekachelten Fußboden der Bar sitzend — er hieß Joschi — ragte mit dem Kopf über die Tischplatte. Auch der untere Teil seines Körpers erschien mir, eisberghaft, ziemlich voluminös.

Wenn er sich ungestüm bewegte, was andauernd vorkam, musste sein Besitzer ihn zischend ermahnen, von mir Abstand zu halten. Die Besitzerin hatte sich, eventuell wohlweislich, an den von Joschis Position entferntesten Pol des runden Tisches gesetzt, dessen Platte ihr nun als Ägide dienen konnte.

Der Gastraum der Bar war ansonsten ziemlich leer. Als die Oliven aufgetragen wurden, fing Joschi unmäßig zu sabbern an.

Es waren, ich konnte meinen Blick kaum abwenden während des Einschlürfens meiner Schalentiere: zwei kristallklare Fäden links und rechts, die ihm aus dem Mundraum heraus geflossen waren und nun wie elastische Eiszapfen vom Überhang der Hundeschnauze über der Tiefe baumelten. Diese Flüssigkeit schien mir in der besonderen Lichtstimmung der Austernbarräumlichkeiten nicht nur von einer bemerkenswerten Transparenz, ich bewunderte, innerlich, auch ihre Viskosität. Ich dachte an Sekundenklebstoff, das Material der Stunde.

Mit dem Heranbringen der Weinflasche störte der Kellner nun leider diese medidative Sekunde. Joschi, vermutlich au japonais Yohji geschrieben, wurde sich seiner Tierhaftigkeit bewusst gemacht und versuchte diese rasch abzustreifen — in dem er seinen riesigen Sabberkopf schüttelte und hin und her warf wie wild.

Seine Besitzer baten um Entschuldigung. Kurz darauf erhielt Joshi vom Kellner einen kleinen Snack serviert und legte sich für den Rest des Abends auf die Fliesen zwischen den Tischen ab.

Auch dies freilich eine Lehrstunde zur Dimensionalität des Imaginierten und seiner Konfrontation mit der Realität.

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