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23.12.

23.12.

Abgesehen von der großartigen Generalprobe des hiesigen Krippenspiels, das mit heiligem Ernst, reichlich Himmelswesen und einer effektvoll inszenierten Rahmenhandlung, für die Kinder als winterlich leuchtende Hochhäuser verkleidet über den Laufsteg des Kirchenschiffs schnürten, wurde ich gestern abends noch einem veritabel Berliner Weihnachtsmärchen zuteil gemacht,

als ich, auf die Bahn zum Restaurant wartend, durch den am Bahnsteigdach montierten Lautsprecher Kunde erhielt, dass diese Bahn mit erheblicher Verspätung eintreffen wird. Festlich gestimmt, beschloss ich die Ankunft doch abzuwarten. Nach zwanzig Minuten schob tatsächlich ein Zug seine trüben Lichtlein durch die mehlige Finsternis. Kaum eine der Türen war noch zu öffnen, die daran befestigten Warnzettel beklagten die mutwillige Sachbeschädigung. Die Zettel selbst wirkten allerdings auch schon jahrealt.

In den Waggons selbst hatte sich ein fataler Dunst ausgebreitet, einige der Reisenden hatten sich bis unter die zu Schlitzen verengt zugepressten Augen hinauf mit Lappen und Schalenden vermummt.

Man musste kein Tatortreiniger sein, um den Dunst als den Geruch der Verwesung einordnen zu können. Der Hervorbringer selbst saß ganz am Ende des Wagens; aus nachvollziehbaren Gründen froh darüber, ein paar Minuten, die unserer Fahrt nämlich, im Hellen und Warmen sich aufhalten zu dürfen. Und dafür, dass er teilweise faulte, konnte er nichts.

Am vorderen Ende war es seltsamerweise menschenleerer als dort hinten. Allerdings ertrug ich es auch dort nur sehr schlecht, bis — und hier beginnt nun das Märchenhafte an dieser Geschichte — ein neben mir stehendes Mädchen eine giftgrüne Dose mit der Aufschrift «Flying Energy Apple Explosion» aufriss, um daraus zu sippen. Und der Duft dieses Energydrinks, den ich unter anderen Umständen als pestillenzhaft empfunden hätte, negierte den Leichengeruch, der sich um meinen Hals geschlungen hatte und wohl auch weiterhin schlang — doch nahm ich ihn von jetzt an nicht mehr war.

Alles, was ich fortan noch riechen konnte, war der Wohlgeruch der Apple Explosion.

Als wir nachher aus dem Restaurant traten, fing es wütend zu schneiregnen an.

Die Katzen reagieren stark auf die Musik von Lena Raine.

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