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1.6.

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Es scheint leicht, eine Nebelkrähe zu zähmen: Vor ein paar Tagen fing ich damit an, morgens eine kleine Schale, mit Wasser gefüllt, in einem schattigen Winkel der Balkonbrüstung für sie aufzustellen. Jetzt schwebt sie in regelmäßigen Abständen von Woweißwo her ein, um sich zu laben. Großer Vogel, großer Durst. Bis zu drei Mal fülle ich nach über den Tag. Manchmal sitze ich am Tisch und vor dem Fenster neben mir, draußen, nehme ich doch ihren Schatten wahr, wie er im Vorüberfliegen über mein Fensterbrett streift.

Eine geringe Handreichung. Mein Vater hat zum Abitur ein Buchgeschenk erhalten, Der Rabe Jakob, das ich selbst noch gerne gelesen habe (es hatte sich erhalten).

Das verrückte an den Tagebüchern von Rühmkorf, Rühmi, als der er sich selbst bezeichnete (unter anderem), ist die vollkommene Unbestimmtheit der Form. Es war für ihn in der persönlichen Talsohle der siebziger Jahre ja längst noch nicht absehbar, dass ihm einst die angeblich 13 000 Seiten im Zuge der Vorlassregelung abgekauft würden. Weder streng als Notizensammlung geführt, noch schert er sich um die Chronistenpflicht. An einer Stelle geht es um die Taxifahrer in Hamburg, die von Axel Cäsar Springer persönlich jeweils eine goldene Uhr zum Weihnachtsfest geschenkt bekommen hatten.

Als wir neulich mit einem Taxi über Brandenburgs Alleen schipperten, unterhielt uns der Fahrer mit einer Auswahl von Anekdoten aus seinem Alltag mit Döpfner, seinem Ersten Passagier.

Ich dachte währenddessen freilich an Rühmkorf und die goldenen Uhren. Dadurch schloss sich ein Kreis. Es waren ja gerade mal 51 Jahre vergangen.

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